Die Menschen neigen heute sehr leichtfertig dazu, sich über die Entwicklungen auf der Welt zu empören. Man vermisst die vermeintlich gute alte Zeit, und sieht nur Krisen und Konflikte. Zweifellos gibt es die überall auf der Welt. Gerade in den sozialen Medien ist eine zunehmende Frustration und Negativität zu beobachten. Auch wir Muslime bleiben davon nicht unberührt. Auch wir Muslime liken, teilen und kommentieren in den sozialen Medien, aber auch in den Gesprächen unter uns, die Ungerechtigkeiten, die in verschiedenen Regionen der Welt den Muslimen angetan werden. Insbesondere ideologische Akteure unter uns Muslimen nutzen Videos und Bilder, um gezielt junge Muslime durch eine emotionale Ansprache in eine bestimmte Richtung zu lenken.
Weiterlesen “Schimpfe nicht auf die Launen der Zeit”Zu fragen bedeutet, Hoffnung zu haben
In der Sure Bakara wird die Schöpfung Adams in einem Dialog zwischen Gott und den Engeln aufgegriffen:
“Damals, als dein Herr zu den Engeln sprach: “Siehe, einen Sachwalter will ich einsetzen auf der Erde!” Da sprachen sie: “Willst du jemanden auf ihr einsetzen, der Unheil auf ihr anrichtet und Blut vergießt – wo wir dir Lobpreis singen und dich heiligen?” Er sprach: “Siehe, ich weiß, was ihr nicht wisst.”” (2:30)
In weiteren Versen wird die Geschichte der Schöpfung Adams (as) weitererzählt, sein Straucheln, aber auch die Reue und Vergebung, die ihm zuteil wurde. Wir wollen aber bei diesem Vers bleiben. In Erläuterungen wird gerne der Begriff Sachwalter näher betrachtet – die Frage, welche Rolle dem Mensch daraus zukommt. Oder die Zuschreibung der Engel für den Menschen als Unheilstifter und Blutvergießer wird aufgegriffen. Ein Aspekt dieses Verses fällt uns jedoch selten auf: Die fragenden, ja sogar hinterfragenden Engel.
Weiterlesen “Zu fragen bedeutet, Hoffnung zu haben”Mit den eigenen Widersprüchlichkeiten leben
Wenn heutzutage Muslime zusammenkommen und sich über ihre gegenwärtige Situation in der Welt unterhalten, bleibt eines in der Regel nicht ausgespart: das Klagen über die mangelnde Einheit der Umma. Fast schon gebetsmühlenartig wird immer wieder beanstandet, wie unfähig doch die eigenen Glaubensgeschwister seien, selbst in wesentlichen Fragen einen gemeinsamen Nenner zu finden oder anderen gegenüber geschlossen aufzutreten.
Ob eine Gemeinschaft, in der jeder einhellig dieselbe Meinung vertritt, überhaupt möglich oder gar wünschenswert ist, sei einmal dahingestellt. Bezeichnend ist aber, dass dieses Streben nach Einheit im gemeinschaftlichen Sinne häufig seine Entsprechung auch im Bewusstsein vieler einzelner Muslime findet – nämlich in Gestalt eines unbeirrbaren Strebens nach Eindeutigkeit im Glauben.
Weiterlesen “Mit den eigenen Widersprüchlichkeiten leben”Frevler sind immer die anderen
Der Weg in die Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Dieser Sinnspruch ist in vielen Kulturen, in vielen unterschiedlichen Sprachen bekannt. Wir Muslime sind davon überzeugt, dass der Vorsatz, die Absicht, die unserem Handeln zu Grunde liegt, das Entscheidende ist. Wir nehmen häufig an, das Resultat unseres Handelns oder unserer Untätigkeit sei nicht so bedeutsam, wie die Absicht, die unserem Tun oder Unterlassen zu Grunde liegt. In diesem Denken liegt zugleich große Einsicht und tiefer Irrtum.
Weiterlesen “Frevler sind immer die anderen”Moses lieben und Juden hassen?
Als muslimische Gemeinschaft sprechen wir gern über unsere religiösen Tugenden, über den Islam als Rechtleitung für unser Leben. Selten sprechen wir aber über die Verirrungen, denen wir erliegen. Solche Verirrungen sind menschlich. Sie sind Ausdruck unserer Unvollkommenheit.
Aber wir dürfen sie nicht hinnehmen, wir dürfen sie nicht leugnen oder verharmlosen. Denn dann laufen wir Gefahr, dass Verirrungen nicht mehr als solche erkannt werden, ja sogar als ihr Gegenteil, nämlich als authentische muslimische Haltung missverstanden und über Generationen hinweg aufrechterhalten werden.
Zu den gravierendsten Verirrungen im Verständnis unseres Glaubens gehören zwei Phänomene, die wir als „Antisemitismus“ und „antichristliche Ressentiments“ beschreiben könnten. Aber eine solche Beschreibung wäre in sich bereits eine sprachliche Verharmlosung und damit ebenfalls eine Facette der Verirrung. Wir müssen ehrlich mit uns sein. Und wir müssen unsere Unvollkommenheiten schonungslos benennen. Nur so können wir ihnen ins Gesicht blicken und uns selbst zu Veränderungen bewegen.
Weiterlesen “Moses lieben und Juden hassen?”Hoffnung in der Not – Das Gleichnis des Propheten Yussuf (as)
Sieben bis zehn Jahre nach der ersten Herabsendung des Korans durchlebten die Muslime in Mekka ihre schwierigste Zeit. Die Mekkaner belegten den Stamm des Propheten mit einem Boykott, der es allen anderen Stämmen verbot, mit dem Stamm der Banu Haschim zu handeln. Auch Nahrung gehörte zu den Gütern, die die Verwandten des Propheten nicht erreichen durften, weil sie ihn nicht an seine Gegner auslieferten. Not und Qual wurden in diesen drei Jahren zur Regel für die Muslime. Entweder saßen sie innerhalb der Blockade fest, oder sie gehörten zwar nicht zum Stamm der Banu Haschim, verausgabten sich aber in dem Versuch, im Geheimen die hungernden und leidenden Menschen zu unterstützen.
Den Prophet traf das Jahr 10 besonders hart. Er verlor zwei für ihn wichtige Menschen auf dem Totenbett. Sein Onkel Abu Talip war ihm eine große Unterstützung, seit er mit dem neuen Glauben in die Öffentlichkeit gegangen war. Er hielt als Stammesführer seine schützende Hand über ihn und war nicht bereit, egal welchen Preis man ihm anbot, seinen Neffen an die feindlich gestimmten Mekkaner auszuliefern. Noch versuchte er, seinen Neffen von dessen Glauben abzubringen.
Wenige Tage nach dem Tod seines Onkels verlor der Prophet auch seine geliebte Frau Chadidscha bint Chuwailid. Sie war die erste Person gewesen, die an ihn, an den von ihm gepredigten Islam geglaubt hatte. Sie war es auch, die ihn gegen die Ablehnung und Anfeindung mancher mekkanischer Führer, bedingungslos unterstützte.
Weiterlesen “Hoffnung in der Not – Das Gleichnis des Propheten Yussuf (as)”Ende des Ramadan
Wieder neigt sich der jährliche Fastenmonat seinem Ende zu. Und wieder lässt er uns erleben, wie die Herausforderungen, die er mit sich bringt, uns fast zur Gewohnheit werden. Wie scheinbar Unmögliches sich in ein alltägliches Ritual verwandelt und uns vor Augen führt, wie trügerisch unsere Gedanken und Vorstellungen über uns selbst sein können. Kaum sind wir in der Lage, hinter diesen Vorhang unserer Selbstwahrnehmung zu blicken, endet der Ramadan in Tagen der Freude, der familiären Verbundenheit und in vielfachen freundschaftlichen Begegnungen. Und wir fallen zurück in unser eingeübtes Verhalten und der Ramadan verblasst wieder für 11 Monate zu einer fernen Erinnerung der Überwindung von Hunger und Durst.
Weiterlesen “Ende des Ramadan”Die ruhende Seele im Ramadan
Der Ramadan ist anders. Er riecht anders, er schmeckt anders, er fühlt sich anders an. Das Fasten in diesem Monat zügelt zwar den Verzehr, er schärft dafür die Sinne. Schon nach zwei oder drei Fastentagen ändert sich die Wahrnehmung der Umwelt. Sie wird bewusster gesehen, gerochen, gefühlt, geschmeckt.
Es ändert sich der Tagesablauf. Dabei ist es nicht einmal der Wegfall von Mahlzeiten über den Tag, der die Veränderung bringt. Es ist das Aufrechterhalten eines Bewusstseins, eines andauerndes gottesdienstliches Rituals, einer Ibadah. Im Prinzip sind die Muslime während des Fastens in einem anhaltenden spirituellen Zustand. Stetig ist die Erinnerung, das Gedenken an ihren Schöpfer präsent.
Weiterlesen “Die ruhende Seele im Ramadan”Ramadan: Erleichterungen ohne schlechtes Gewissen annehmen
Es ist 2021 und es ist bereits der zweite Ramadan unter Pandemiebedingungen. Während viele Gläubige in dieser Zeit tagsüber auf Essen und Trinken verzichten, sich von schlechten Dingen fernhalten und sich verstärkt dem eigenen Kontakt zu Allah widmen, kommen die Pandemieeinschränkungen im Alltag erschwerend dazu, die dazu führen, dass wir nicht wie gewohnt in größerem Kreis zum Fastenbrechen und Gebet zusammenkommen können.
Für viele von uns ist das mittlerweile so etwas wie Routine, schließlich ist die Gesundheit ein hohes Gut, auch im Glauben.
Industrielle Fleischproduktion und Halal – ein Widerspruch?
Speisevorschriften gehören zur Religion des Islams. Nicht um den Gläubigen das Leben schwer zu machen. Sie sind die Folge eines ganzheitlichen Blicks auf das Leben. Ein Leben, in dem der Mensch in mehr Verbindungen und Abhängigkeiten verwoben ist, als er es sich selbst bewusst ist. Der Islam ist nach eigenem Anspruch eine Erinnerung, ein Weg des Menschen zu sich selbst.
“Und richte nun dein Antlitz auf die Religion, im rechten Glauben,
gemäß der natürlichen Veranlagung, mit welcher Allah die Menschen schuf!
Keinen Ersatz gibt es für die Schöpfung Gottes.
Das ist die Religion, die Bestand hat.
Jedoch die meisten Menschen wissen nicht.” (30:30)
Vom Menschen wird erwartet, dass er diesen Beziehungen Aufmerksamkeit schenkt, bewusster in sein Leben blickt. Seine Verantwortung geht über sein eigenes Handeln hinaus. Was löse ich mit meinem Tun aus, wie beeinflusse ich mit meinen Entscheidungen meine Umwelt? Das Entwickeln eines Bewusstseins für diese Beziehungen gehört zum Muslimsein dazu.
Weiterlesen “Industrielle Fleischproduktion und Halal – ein Widerspruch?”