Das Fest der Nähe

Wie jedes Jahr feiern wir auch diesmal das Opferfest mit unseren gewohnten Ritualen. Dazu gehört die Schlachtung eines Opfertieres und das Verteilen eines Teils des Fleisches. 

Dieses Ritual ist buchstäblich so körperlich präsent und prägend, dass wir nahezu überwältigt von seiner physischen Kraft uns zunehmend von der ihm innewohnenden und in der Offenbarung beschriebenen Bedeutung entfernen. 

So heißt es (22, 37): „Weder ihr Fleisch, noch ihr Blut werden Allah erreichen, aber ihn erreicht die Gottesfurcht von euch. So hat Er sie euch dienstbar gemacht, damit ihr Allah als den Größten preist, dass Er euch rechtgeleitet hat. Und verkündet frohe Botschaft den Gutes Tuenden.“

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FAQ

Häufig stellen wir uns Fragen, wie wir bessere Muslime werden können. Wir fragen danach, was wir als Muslime dürfen oder nicht dürfen. Was wir essen oder trinken sollen oder was wir gerade nicht essen oder trinken sollen. Wir fragen danach, ob dieses oder jenes Verhalten besser ist für uns als Muslime. Und wir glauben häufig daran, dass andere Menschen, die tatsächlich oder vermeintlich viel über den Islam wissen, die richtige Antwort auf unsere Fragen haben. Zahllose Internet-Imame verkünden im Brustton des heiligen Ernstes, was sich für einen Muslim schickt oder nicht schickt, wie man sich als Muslim zu verhalten habe. Was viele nicht wahrnehmen: Auf nahezu jede Frage des religionspraktischen Lebens findet sich in den Schriften muslimischer Autoren über all die Jahrhunderte der muslimischen Gelehrsamkeit hinweg eine Antwort – und gleichzeitig eine davon abweichende Gegenmeinung. Welche Antwort soll nun die einzig richtige Antwort sein?

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Pride

Dieses Freitagswort ist notwendig. Vielleicht notwendiger als viele Freitagsworte davor. Denn dieses Freitagswort spricht ein Thema an, das wir in unserer muslimischen Gemeinschaft tabuisieren. Wir schweigen hartnäckig zu diesem Thema. Denn das, was wir in den meisten Fällen dazu zu sagen haben, besteht aus Ablehnung und Ächtung. Und das ist noch vorsichtig formuliert.

Unser gemeinschaftlicher Umgang mit dem Thema Homosexualität und unser Umgang mit Menschen aus der LGBT-Community offenbart mit seinen verkrampften Abwehrreflexen, wie gestört wir uns von diesem Thema, ja von queeren Menschen selbst, fühlen. Ihre Anwesenheit, ihre Nähe verstört uns. Über dieses Thema zu reden, ist uns unangenehm.

Wir wollen weder über dieses Thema reden, noch wollen wir die Nähe zu queeren Menschen. Diese Abwehrhaltung und peinlich berührte Ignoranz weisen auf ein Problem hin, das in unseren Reihen präsent ist. Darauf muss sich unser Blick konzentrieren.

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Gewissensfragen

Gewöhnlich findet sich freitags an dieser Stelle ein Text, mit dem das Thema Spiritualität im Islam angesprochen wird. Oder die Autoren versuchen, eben jene Spiritualität durch ihre Texte spürbar zu machen. Aber zuweilen hat man das Gefühl, dass die äußeren Bedingungen unserer Existenz unsere Gedankenwelt derart überlagern, dass kein Platz mehr für Spiritualität bleibt, dass die Kakophonie menschlicher Verfehlungen so laut wird, dass man seine innere Stimme nicht mehr hören kann. Dieser Lärm übertönt jeden Versuch der inneren Einkehr und hindert uns daran, uns auf das Wesentliche zu besinnen.

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Nur unser Innerstes wird unsere Welt verändern

Anlässlich jedes Freitagsgebetes erleben wir Woche für Woche eine ganz wichtige, weil prägende Dimension unserer Religion. Im Gemeindegebet werden wir jede Woche mit der kollektiven Dimension unseres Glaubens konfrontiert. Unsere tägliche Erfahrung, dass Religion Privatsache ist, wird der Erfahrung, manchmal dem berührenden Moment, manchmal der schwierigen Zumutung ausgesetzt, dass Religion auch eine gemeinsame, eine gesellschaftliche, über die individuelle Erfahrung hinausgehende Wirkungsebene hat.

Wir sind dabei den Unterschieden ausgesetzt, die jede Muslimin und jeder Muslim durch ihre und seine ganz persönliche Aneignung des Glaubens zurück in die Gemeinschaft trägt. Wir erleben in Details unterschiedliche Gepflogenheiten des rituellen Gebets, der lauten oder leisen Rezitation, des Verhaltens während der Predigt oder auch unterschiedliche Gewohnheiten und Rituale der Gemeinschaft nachdem das Freitagsgebet verrichtet wurde.

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Ende des Ramadan

Wieder neigt sich der jährliche Fastenmonat seinem Ende zu. Und wieder lässt er uns erleben, wie die Herausforderungen, die er mit sich bringt, uns fast zur Gewohnheit werden. Wie scheinbar Unmögliches sich in ein alltägliches Ritual verwandelt und uns vor Augen führt, wie trügerisch unsere Gedanken und Vorstellungen über uns selbst sein können. Kaum sind wir in der Lage, hinter diesen Vorhang unserer Selbstwahrnehmung zu blicken, endet der Ramadan in Tagen der Freude, der familiären Verbundenheit und in vielfachen freundschaftlichen Begegnungen. Und wir fallen zurück in unser eingeübtes Verhalten und der Ramadan verblasst wieder für 11 Monate zu einer fernen Erinnerung der Überwindung von Hunger und Durst.

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Zeit der Erneuerung

Es ist wieder ein Jahr vergangen und der Ramadan steht uns bevor. Jedes Jahr verbinden wir diesen Monat mit positiven Erlebnissen und den Segnungen des Fastens. Was für Außenstehende häufig wie eine große Überwindung und irrationale Selbstgeißelung wirkt, erleben wir Tag für Tag als zunehmende Erleichterung, als Zeit der Beruhigung unserer körperlichen Funktionen und Schärfung unserer Sinne, die nicht von dauerhaftem Konsum und dem Verzehr viel zu großer Mengen von Allem übersättigt und abgestumpft sind. 

Wir entdecken immer wieder aufs Neue, was das Wort „brauchen“ wirklich bedeutet. Wir erfahren, was wir wirklich brauchen, um uns nicht mehr hungrig zu fühlen. Was und wieviel wir brauchen, um uns nicht mehr durstig zu fühlen. Wir entdecken – wie jedes Jahr – wie wenig wir brauchen, um zufrieden und dankbar zu sein. 

Wir beobachten – im restlichen Jahr getrieben von der Hektik des Alltages – in diesen wenigen Tagen des Ramadan, wieviel Zeit uns zur Verfügung steht, wenn wir uns nur auf eine wichtige Sache konzentrieren, wie lang ein Tag sein kann, in welchem wir uns nicht mit Nichtigkeiten von dem ablenken, was uns eigentlich wichtig sein sollte.

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Ramadan – An der Grenze zu neuen Anfängen

In der kommenden Woche beginnt der Monat Ramadan. Es ist der neunte Monat des islamischen Mondkalenders. Von Anfang April bis Anfang Mai werden wir einen Monat lang uns auf eine der fünf Säulen des Islam stützen – das Fasten. Verschiedene Koranverse verweisen auf das Fasten und auf den Monat Ramadan, unterstreichen den Segen, der diesem Monat und dem Fasten innewohnt und erinnern daran, dass die ersten Verse des Koran im Monat Ramadan offenbart wurden (vgl. 2, 185, 187; 97; 19, 26).

Der Offenbarungstext spricht von „sawm“, wenn er das Fasten meint. „Sawm“ beschreibt ein Innehalten, ein Ruhen, ein Stillstehen. Der Gedanke der Enthaltsamkeit, nicht nur von Nahrung und Wasser, sondern von allen weltlichen Dingen, prägt diese Zeit. Sie reißt uns heraus aus unserem gewohnten Alltag, stellt Selbstverständlichkeiten infrage, bricht mit Gewohnheiten und stellt uns vor Fragen, die sich um das Wesentliche drehen. Was ist unverzichtbar? Welchen Wert haben die Dinge, die uns umgeben? Von was fühlen wir uns abhängig? Und von was sind wir tatsächlich abhängig? Welche Kraft geht von der Geduld aus? Wozu sind wir selbst in der Lage? Und wem oder was sind wir letztlich vollkommen ausgeliefert?

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Mut zum Frieden

Religion ist Verantwortung. Religion macht verantwortlich. Der Islam in seiner religionspraktischen Ausprägung weist ein beständiges Gleichgewicht von Individualität und Kollektivität aus. Religiöse Praxis hat stets eine höchstpersönliche Dimension und gleichzeitig eine gemeinschaftliche Bedeutung.

Wir verrichten das Ritualgebet, um uns fünfmal am Tag in Demut und Ergebenheit vor unserem Schöpfer zu üben. Gleichzeitig vereint uns das Ritualgebet, wenn es in einer Moschee verrichtet wird, mit anderen Menschen zu einem gemeinschaftlichen Erlebnis.

Wir fasten und verspüren dabei eine sehr persönliche Veränderung. Wir erleben Verzicht, Genügsamkeit und Bescheidenheit. Wir spüren Dankbarkeit für Dinge, die uns im Alltag als selbstverständlich erscheinen. Gleichzeitig werden wir aufmerksamer für die Bedürftigkeit anderer Menschen und entdecken die Freude, die wir durch das Teilen materieller Dinge bei anderen und bei uns hervorrufen können. Wir werden uns dessen bewusst, dass uns Übermaß und Reichtum gleichzeitig auch eine Verantwortung für andere Menschen auferlegt.

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Freiheit ist das Einzige, was zählt

“Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Mit diesen beiden Sätzen beginnt unser Grundgesetz. Was bedeutet „Die Würde des Menschen“? Die Rechtswissenschaft meidet es, den Begriff präzise zu definieren, weil damit die Gefahr bestünde, den Begriff der „Würde“ in unzulässiger Weise einzuschränken. Vielmehr definiert sie negativ, wann von einem Verstoß gegen die Würde des Menschen auszugehen ist. Ein solcher Verstoß liegt immer dann vor, wenn der Mensch nicht mehr als selbstbestimmtes, freies Subjekt handeln kann, sondern wenn der Staat oder ein anderer Mensch über ihn als Objekt verfügt, ihn quasi als Gegenstand, als Sache behandelt. Denn der Mensch als von Gott erschaffenes Wesen, darf niemals zu einem Gegenstand herabgewürdigt werden, über den andere willkürlich verfügen.

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