Ihr werdet, was wir sind

Aus dem antiken Rom ist bekannt, dass während der Siegeszüge erfolgreicher Feldherren, diese von einem Sklaven begleitet wurden, der in ständiger Wiederholung folgende Worte sprach:

„Memento mori.

Memento te hominem esse.

Respice post te, hominem te esse memento.“

„Bedenke, dass du sterben wirst.

Bedenke, dass du ein Mensch bist.

Sieh dich um und bedenke, dass auch du nur ein Mensch bist.“

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Woran glauben wir?

In unseren muslimischen Gemeinschaften gibt es eine Redewendung, ein Zitat, welches häufig verwendet wird, wenn man aus einer vermeintlich sehr frommen, sehr religiösen Haltung heraus andere ermahnen will: „Wer nicht danach lebt, was er glaubt, wird anfangen, so zu glauben, wie er lebt.“ Das heißt, eine vermeintlich nach außen hin wenig an rituellen Praktiken und religiösen Geboten und Verboten orientierte Lebensweise führe über kurz oder lang zu einem schwächeren Glauben, ja sogar zum Glaubensverlust.
Das ist eine sehr selbstgefällige und selbstgerechte Meinung von Menschen, die sich grundsätzlich als Glaubensgeschwister begegnen wollen. Und es ist eine unaufrichtige Haltung. Denn sie weicht der Frage aus, woran wir Muslime glauben. In den letzten 20 Jahren der Islamdebatte in Deutschland erinnere ich mich an keinen Moment, in dem muslimische Stimmen in der Öffentlichkeit erklärt hätten, woran wir Muslime eigentlich glauben.

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Der Tanz um das goldene Ich

Der Mensch neigt dazu, sich abzugrenzen. Es ist aber mehr als ein Revierinstinkt, der bei vielen Geschöpfen in der Natur zu beobachten ist. Es geht dabei weniger um die Markierung eines Territoriums, welches durch Inbesitznahme und Verteidigung gegenüber Konkurrenten den eigenen Fortbestand sichern soll. Gleichwohl wir in dieser Beschreibung durchaus auch die zerstörerischen Ideologien um kollektiven „Lebensraum“ erkennen können, ist hier ein anderes Phänomen gemeint.

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Worauf es ankommt

Wir Muslime sind eine vielbeachtete Minderheit in Deutschland. Die Beschäftigung mit dem Islam hat in unserer Gesellschaft viele Facetten und unterschiedlichste Ausprägungen. Manchmal erleben wir als Muslime auch Ablehnung oder gar Anfeindung. Dieser Zustand ist eine Tatsache, vor der wir die Augen nicht verschließen können. Sie darf uns aber nicht in Lethargie, Wehklagen und Untätigkeit zurückfallen lassen.

Unser Prophet (s.a.s) hat selbst Zeiten der Ablehnung und Anfeindung erfahren. Er hat Unrecht und Gewalt erdulden müssen. Im Angesicht all dieser Erfahrungen hat er das Wort Gottes verkündet, das uns in Sure 2, 177 daran erinnert: „Fromm sind auch die, […], die in Not und Leid und zur Zeit der Gewalt geduldig sind. Sie sind es, die wahrhaftig sind, und sie sind die Gottesfürchtigen.“

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Das hat nichts mit Afghanistan zu tun!

Das hat nichts mit dem Islam zu tun! Wie oft haben wir diesen Satz bereits gehört? Als erste Reaktion muslimischer Vertreter auf Extremismus und Gewalt im Namen des Islam.

Gleichgültig, wie laut Terroristen sich vor, während und nach ihren Taten auf den Islam berufen – die muslimischen Vertreter waren und sind schnell zur Stelle, um deutlich zu machen: Die Täter sind gar keine richtigen Muslime. All das religiöse Lametta um die Mordtaten herum dient einzig dem Zweck, etwas als islamisch zu behaupten, was in Wirklichkeit nichts mit dem Islam zu tun hat.

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Dem Mörder die Ehre nehmen

Wieder wurde innerhalb einer Familie beschlossen, dass eine Tochter, eine Schwester, eine Frau sterben muss.

Wieder wird diskutiert, wie man so eine Mordtat nennen soll.

Wieder äußern sich muslimische Verbände und ihre Vertreter, fast alles Männer, gar nicht oder nur einsilbig zu dieser Tat.

Wieder hat die Tat nichts mit dem Glauben und der Kultur zu tun, von denen Opfer und Täter geprägt sind. Wieder wird die Tat als völlig überraschender und willkürlicher, fremder und anmaßender Einbruch in die Sphäre des Glaubens und der Kultur behandelt.

Wieder fühlen sich muslimische Verbandsvertreter für alles zuständig, was Muslime betrifft, aber für nichts verantwortlich, was Muslime tun.

Dabei ist es wichtig, genauer hinzusehen und zu begreifen, was sich wiederholt in unserer Gesellschaft ereignet.

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Werden und Sein

Es ist das Jahr 1984. Los Angeles. Olympische Spiele. Das Finale der Judo Wettkämpfe der Männer in der offenen Klasse. Auf der Judomatte steht der Ägypter Mohamed Ali Rashwan, bereit als erster afrikanischer Goldmedaillengewinner bei Olympischen Spielen in die Geschichte des Judo-Sports einzugehen. Sein Gegner in diesem Finale ist einer der erfolgreichsten japanischen Judoka: In seiner etwa 15 Jahre dauernden Wettkampfkarriere hat er über 500 Kämpfe gewonnen. Seit 1977 bis zu seinem Rücktritt 1985 wird er in internationalen Wettkämpfen unbesiegt bleiben und 203 Kämpfe gewonnen haben – Yasuhiro Yamashita gilt bei diesen Olympischen Spielen als unbesiegbar.

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Das tägliche Opferfest

In der zurückliegenden Woche haben wir – wie jedes Jahr – das Opferfest gefeiert. Viele von uns haben Opfertiere geschlachtet. Viele haben das Fleisch mit verschiedenen Menschen geteilt. Viele haben Geld gespendet und damit die Schlachtung eines Opfertieres in unterschiedlichen Ländern der Erde ermöglicht, so dass die Bedürftigen vor Ort mit dem Fleisch versorgt werden konnten.

Jedes Jahr wiederholen wir dieses Ritual. Wir hinterfragen dabei selten, warum wir an einem Ritual festhalten, das zumindest in unserer unmittelbaren Nähe, in unserer Nachbarschaft nicht wirklich zur Linderung von Not sinnvoll ist. Wir leben in einem Land, in dem selbst Menschen, die wirtschaftliche Not leiden, nicht vollständig auf Fleisch verzichten müssen, weil es etwa zu teuer wäre.

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Das Wesen der Prüfung

In diesen Tagen erleben wir eine verheerende Flutkatastrophe im Westen unseres Landes. Besonders betroffen vom Hochwasser und den zerstörerischen Folgen des Starkregens sind unsere Nachbarn und Mitbürger in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Wir haben Tote und Verletzte zu beklagen. Viele Menschen vermissen immer noch ihre liebsten Angehörigen und leiden schwer an dieser Ungewissheit. Viele haben die eigene Wohnung, ihr Haus, Hab und Gut von materiellem und ideellem Wert verloren.

In diesen Stunden beten wir für ewigen Frieden für die Verstorbenen, für Kraft und Geduld für die vom Verlust betroffenen Angehörigen und Hinterbliebenen. Wir beten für den Beistand des Allmächtigen für all jene, die verzweifelt sind und voller Sorgen in die Zukunft blicken. Wir beten für die vielen Hilfskräfte, Feuerwehr, Polizei, Ärztinnen und Ärzte, für alle Rettungskräfte und für alle, die den Bedürftigen helfen und beistehen.

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Wer sind unsere Brüder und Schwestern?

In unserer gemeinschaftlichen Sprache gibt es die Besonderheit, die durch das gleiche Glaubensbekenntnis gestiftete Nähe zueinander auch in der persönlichen Ansprache wirksam werden zu lassen. Das innermuslimische Verständnis von einer weltumspannenden Umma, einer engen Gemeinschaft aller muslimischen Menschen, wird als Ideal so sehr herbeigesehnt, dass sie bereits sprachlich schon vorweggenommen wird.

Diese erstrebte, manchmal schon aufdringlich erzwungene Nähe und quasi verwandtschaftliche Verbundenheit trägt in letzter Konsequenz dann auch sehr merkwürdige Stilblüten. So habe ich es schon erlebt, dass der Heiratswunsch eines muslimischen Mannes mit den Worten „Bruder sucht Schwester zum Heiraten“ beschrieben wurde.

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