Regenbogen

Das Symbol des Regenbogens hat in den vergangenen Tagen für öffentliche Aufregung gesorgt. Gerade auch im muslimischen Kontext ist der Umgang mit Diversität sehr schwierig. Wenn es gar um die Frage sexueller Diversität geht, geraten die Diskussionen schnell in schrille Tonlagen.

Als Muslime rühmen wir uns, dass wir jedes Leben um des Schöpfers Willen achten und lieben. Wenn es aber um Menschen mit einer von den üblichen Normen innerhalb unserer Gemeinschaften abweichenden sexuellen Identität geht, verirren sich unsere Blicke selten in Richtung unseres Schöpfers, wenn wir zornig und ablehnend auf andere herabblicken.

Die Worte des muslimischen Mystikers Rumi: „Komm! Wer immer du auch bist, komm!“ gelten uns als häufig zitierte Zusammenfassung muslimischer Ethik. Schnell nehmen wir beim Thema Diversität aber eine Haltung ein, die sich eher wie „Hau bloß ab!“ anhört.

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Frevler sind immer die anderen

Der Weg in die Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Dieser Sinnspruch ist in vielen Kulturen, in vielen unterschiedlichen Sprachen bekannt. Wir Muslime sind davon überzeugt, dass der Vorsatz, die Absicht, die unserem Handeln zu Grunde liegt, das Entscheidende ist. Wir nehmen häufig an, das Resultat unseres Handelns oder unserer Untätigkeit sei nicht so bedeutsam, wie die Absicht, die unserem Tun oder Unterlassen zu Grunde liegt. In diesem Denken liegt zugleich große Einsicht und tiefer Irrtum.

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Moses lieben und Juden hassen?

Als muslimische Gemeinschaft sprechen wir gern über unsere religiösen Tugenden, über den Islam als Rechtleitung für unser Leben. Selten sprechen wir aber über die Verirrungen, denen wir erliegen. Solche Verirrungen sind menschlich. Sie sind Ausdruck unserer Unvollkommenheit.

Aber wir dürfen sie nicht hinnehmen, wir dürfen sie nicht leugnen oder verharmlosen. Denn dann laufen wir Gefahr, dass Verirrungen nicht mehr als solche erkannt werden, ja sogar als ihr Gegenteil, nämlich als authentische muslimische Haltung missverstanden und über Generationen hinweg aufrechterhalten werden.

Zu den gravierendsten Verirrungen im Verständnis unseres Glaubens gehören zwei Phänomene, die wir als „Antisemitismus“ und „antichristliche Ressentiments“ beschreiben könnten. Aber eine solche Beschreibung wäre in sich bereits eine sprachliche Verharmlosung und damit ebenfalls eine Facette der Verirrung. Wir müssen ehrlich mit uns sein. Und wir müssen unsere Unvollkommenheiten schonungslos benennen. Nur so können wir ihnen ins Gesicht blicken und uns selbst zu Veränderungen bewegen.

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Ende des Ramadan

Wieder neigt sich der jährliche Fastenmonat seinem Ende zu. Und wieder lässt er uns erleben, wie die Herausforderungen, die er mit sich bringt, uns fast zur Gewohnheit werden. Wie scheinbar Unmögliches sich in ein alltägliches Ritual verwandelt und uns vor Augen führt, wie trügerisch unsere Gedanken und Vorstellungen über uns selbst sein können. Kaum sind wir in der Lage, hinter diesen Vorhang unserer Selbstwahrnehmung zu blicken, endet der Ramadan in Tagen der Freude, der familiären Verbundenheit und in vielfachen freundschaftlichen Begegnungen. Und wir fallen zurück in unser eingeübtes Verhalten und der Ramadan verblasst wieder für 11 Monate zu einer fernen Erinnerung der Überwindung von Hunger und Durst.

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Vergebung

Morgen begehen wir Muslime die Nacht der Vergebung. In dieser Nacht beten wir darum, von unseren Sünden befreit zu werden. Wir beten um Läuterung.
Wir vertrauen auf die am häufigsten zitierten Attribute unseres Schöpfers, des Allbarmherzigen, des Allgnädigen.

Wir hoffen darauf, dass er uns selbst ein ganzes Leben voller Sünden vergeben mag, wegen einer guten Tat, die wir verrichten. Wir beten um Läuterung und Vergebung, damit wir trotz eines ganzen Lebens voller Tugenden seine Nähe nicht verspielen, wegen einer Sünde, die wir begangen haben.

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Mut zum Frieden

Religion ist Verantwortung. Religion macht verantwortlich. Der Islam in seiner religionspraktischen Ausprägung weist ein beständiges Gleichgewicht von Individualität und Kollektivität aus. Religiöse Praxis hat stets eine höchstpersönliche Dimension und gleichzeitig eine gemeinschaftliche Bedeutung.

Wir verrichten das Ritualgebet, um uns fünfmal am Tag in Demut und Ergebenheit vor unserem Schöpfer zu üben. Gleichzeitig vereint uns das Ritualgebet, wenn es in einer Moschee verrichtet wird, mit anderen Menschen zu einem gemeinschaftlichen Erlebnis.

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Lebbeyk

Was bedeutet es, zu glauben? Welchem Zweck dient unser Glaube? Was ändert sich durch unseren Glauben, durch unseren Zustand, an etwas zu glauben? Warum glauben wir? Worin äußert sich unser Glauben? Welchen Einfluss hat unser innerer Zustand, ein glaubender Mensch zu sein, auf unseren äußeren Zustand?

Das Nachdenken über diese Fragen ist in unseren Gemeinschaften keine regelmäßige Praxis. Viel häufiger denken wir darüber nach, wie wir unseren Glauben praktizieren. Die Fragen nach vermeintlich richtiger oder falscher Glaubensausübung verhindern immer mehr, dass das Nachdenken über die Bedeutung unseres Glaubens zu einer regelmäßigen Übung wird.

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Welches Ziel?

Wenn man von Gewalt und Unrecht betroffen ist, fällt es schwer, geduldig zu sein.
Wenn man von Verachtung und Hass betroffen ist, fällt es schwer, vergebend zu sein.
Wenn man das Gefühl hat, trotz all dieses Leids und des Unrechts ändere sich nichts, fällt es schwer, nicht wütend zu sein, nicht zornig zu sein.

Die Gedenktage, sie häufen sich in unserem Land. Nach behördlichen Statistiken sind in den letzten 30 Jahren 109 Menschen Opfer rechtsextremer tödlicher Gewalt geworden. Nach journalistischen Recherchen ist von einer Mindestzahl von 187 Mordopfern auszugehen. Würden wir unsere Erinnerung an diese Opfer über das Jahr verteilen, müssten wir etwa an jedem zweiten Tag einem Mordopfer gedenken. Jeden zweiten Tag.

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Ein Jahr nach Hanau

Rassismus tötet. Das ist uns nicht erst seit gestern klar. Auch nicht erst nach Hanau. Wir wissen, dass Menschen, die aus rassistischen Motiven hassen, irgendwann auch bereit dazu sind, diesen Hass in mörderischer Weise auszuleben. Das erscheint uns kaum begreifbar. Auch wenn dieser letzte Schritt vom Hassen zum Töten uns unbegreiflich erscheint, ist uns der Hass selbst aber nicht völlig fremd.

In jedem von uns schlummert ein Gefühl, eine Haltung, ein erster Reflex der Ablehnung, der Zurückweisung andere Menschen. Manchmal aus ganz persönlichen Gründen. Wegen schlechter individueller Erfahrungen. Manchmal aber auch aus Gründen, mit denen wir aufgewachsen sind. Mit Vorstellungen darüber, dass andere Menschen vermeintlich nicht so sind wie wir. Sie sind anders. Wir sind mit einer Vorstellung aufgewachsen, dass wir der Maßstab dessen sind, was als normal und gut zu gelten hat. Menschen, die von dieser Vorstellung abweichen, sehen wir häufig nicht als Ausdruck einer gleichberechtigten, einer gleichwertigen Verschiedenheit an. Wir bewerten diese Verschiedenheit. Wir urteilen über die Abweichungen. Dabei werten wir ab. Wir verurteilen.

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Unsere Leute?

Wer sind wir? Oder genauer gefragt: Wer sind „Wir“?

Für uns Muslime, die in der hiesigen Gesellschaft als Minderheit gelten, liegt in dieser Frage eine Gelegenheit und ein Hindernis zugleich.

Die Gelegenheit, durch die Definition gemeinsamer muslimischer Interessen gesellschaftlich Gehör zu finden. Oder strukturelle Benachteiligungen sichtbar werden zu lassen. Muslime bewegen sich dann als Bürger in dieser Gesellschaft, haben an ihr teil und versuchen sie aus der eigenen muslimischen Perspektive zu verbessern – zum Wohle aller.

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