Erkenne dich selbst

Es gibt Ideen und Anschauungen, die von dermaßen vielen Kulturen, Religionen und Philosophien teilweise unabhängig voneinander aufgegriffen werden, dass man sie zu einem gemeinsamen menschlichen Erbe erklären muss. Die Aufforderung “Gnothi seauton” (gr.) oder “Temet nosce” (lt.), zu deutsch: “Erkenne dich selbst”, darf man wohl zu den Aussagen zählen, die eine menschheitsgeschichtlich durchdringende Wirkung haben.

Als Muslim muss man nicht unbedingt Interesse an “griechischer” Philosophie zeigen, um über diesen Ausspruch zu stolpern. Auch in der Literatur muslimischer Gelehrter hat diese Aussage sehr früh einen festen Platz eingenommen. In der abgewandelten Form “Wer seinen Nafs (sein Selbst) kennt, der kennt seinen Herrn” wird er oftmals als Hadis dem Propheten selbst zugeschrieben, auch wenn das Vorliegen einer solchen Überlieferung von Hadis-Gelehrten angezweifelt wird.

Wir stolpern über diese Aussage aber auch bei Imam Maturidi (gest. 941 n. Chr.), dem Gründer der Maturidiyya-Theologie. Dieser theologischen Schule folgen insbesondere hanefitische Muslime, die zahlenmäßig in Deutschland die Mehrheit der Muslime darstellen dürften. “Unserer Ansicht nach erkennt der seinen Herrn, der sich selbst (seinen Nafs) erkennt”, schreibt Imam Maturidi in seinem Hauptwerk “Kitāb at-tauḥīd” (Buch über den Monotheismus).

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Allahs Nähe spüren…

Wir reden oft über den Islam und über Allah, diskutieren über Auslegungen des Koran und debattieren über verschiedene islamische Strömungen. Jeder von uns versucht ein guter Muslim oder sogar der bessere Muslim zu sein. Wir verteidigen aufs Äußerste „unseren“ Islam und missachten alles andere was nicht dieser Vorstellung entspricht und merken dabei nicht, dass wir kleine Stammeskriege führen…

Wie eingeschränkt unsere Denkmuster sind wird bei Sure 2, Vers 115 klar: „Und Allah gehört der Osten und der Westen; wo immer ihr euch also hinwendet, dort ist Allahs Angesicht. Wahrlich, Allah ist Allumfassend, Allwissend.“ Dieser Vers zeigt uns, dass unsere Religiosität nicht territorial begrenzen dürfen, auch haben wir nicht das Recht, den Islam als eine Nation für uns zu beanspruchen. Der Osten und der Westen stehen nicht nur für das Abend- und Morgenland, man kann diese Dualität auf viele Bereiche übertragen: deutsch – türkisch, Mann – Frau, Diesseits- Jenseits usw. Es geht vielmehr darum, diese Dualität zu überwinden, um dann Allah begegnen zu können, der eben allumfassend ist. Weiterlesen “Allahs Nähe spüren…”

Der Verzicht nimmt nicht, der Verzicht gibt

Die Zeit verfliegt schnell. Man kann sich noch an die Nächte des letzten Ramadans erinnern, als ob es noch gestern war, aber schon stehen wir wieder an der Schwelle zum Fastenmonat. Jedes Jahr ist die Vorfreude groß bei uns Muslimen. Man bereitet sich vor auf diesen gesegneten Monat, sowohl geistig als auch körperlich. Man hat Vorfreude auf den Monat des Verzichts, weil – um es mit dem deutschen Philosophen Martin Heidegger zu sagen – „Der Verzicht nimmt nicht, der Verzicht gibt. Er gibt die unerschöpfliche Kraft des Einfachen.“

Der Fastenmonat Ramadan ist aber auch mehr als Fasten und Enthaltsamkeit. Unser Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte, dass Viele von ihrem Fasten nichts haben außer Hunger und nichts von ihren nächtlichen Gebeten außer Müdigkeit. Das Fasten gehe weit über den bloßen Verzicht auf Essen, Trinken und Sex hinaus. Vielmehr müssen wir uns vor allem bewahren, was uns von unserem Fasten ablenkt. In einem anderen Hadith sagt unser Prophet, dass jedem alle vergangenen falschen Handlungen vergeben werden, der den Ramadan mit Iman und dem Bewusstsein um die Belohnung dafür fastet. Weiterlesen “Der Verzicht nimmt nicht, der Verzicht gibt”