Erkenne dich selbst

Es gibt Ideen und Anschauungen, die von dermaßen vielen Kulturen, Religionen und Philosophien teilweise unabhängig voneinander aufgegriffen werden, dass man sie zu einem gemeinsamen menschlichen Erbe erklären muss. Die Aufforderung “Gnothi seauton” (gr.) oder “Temet nosce” (lt.), zu deutsch: “Erkenne dich selbst”, darf man wohl zu den Aussagen zählen, die eine menschheitsgeschichtlich durchdringende Wirkung haben.

Als Muslim muss man nicht unbedingt Interesse an “griechischer” Philosophie zeigen, um über diesen Ausspruch zu stolpern. Auch in der Literatur muslimischer Gelehrter hat diese Aussage sehr früh einen festen Platz eingenommen. In der abgewandelten Form “Wer seinen Nafs (sein Selbst) kennt, der kennt seinen Herrn” wird er oftmals als Hadis dem Propheten selbst zugeschrieben, auch wenn das Vorliegen einer solchen Überlieferung von Hadis-Gelehrten angezweifelt wird.

Wir stolpern über diese Aussage aber auch bei Imam Maturidi (gest. 941 n. Chr.), dem Gründer der Maturidiyya-Theologie. Dieser theologischen Schule folgen insbesondere hanefitische Muslime, die zahlenmäßig in Deutschland die Mehrheit der Muslime darstellen dürften. “Unserer Ansicht nach erkennt der seinen Herrn, der sich selbst (seinen Nafs) erkennt”, schreibt Imam Maturidi in seinem Hauptwerk “Kitāb at-tauḥīd” (Buch über den Monotheismus).

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Allahu akbar!

„Er ist Allah, der Schöpfer, der Erschaffer, der Gestalter. Sein sind die schönsten Namen. Ihn preist alles, was in den Himmeln und auf der Erde ist. Und Er ist der Allmächtige und Allweise.“ In diesem 24. Vers der Sure 59 werden einige der schönen Namen Gottes hervorgehoben. Im arabischen Original heißt es „Huvallahul halikul bariul musavviru lehul esmaul husna“. Zu diesen zitierten „esmaul husna“, zu den schönen Namen, gehören „Haalik“, der Schöpfer, „Bari“, der aus dem Nichts Erschaffende, „Musavvir“, der Bildende, der Gestaltende.

„Musavvir“ ist ein Name Gottes, in welchem sich das menschliche Bedürfnis widerspiegelt, seinem Innersten, seiner Suche nach Gott, seiner Sehnsucht nach einem besseren Verständnis seiner menschlichen Beziehung zu Gott, Ausdruck verleihen, Gestalt geben zu wollen.

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Kein konservativer Muslim

Die öffentliche Diskussion über den Islam in unserem Land ist von einer Sprache geprägt, die hinterfragt werden muss: Häufig ist die Rede von „konservativen“ und „liberalen“ Muslimen. Aber die Formulierung „konservativer Muslim“ ist – wenn man die Offenbarung des Koran ernst nimmt – ein Oxymoron, also eine in sich gegensätzliche Beschreibung. Traditionen, althergebrachte Regeln und überlieferte Ansichten sind beim Blick in den Koran mit großer Vorsicht, ja geradezu mit fundamentaler Skepsis zu behandeln.

In verschiedenen Versen wird auf diesen Aspekt hingewiesen. So heißt es in Sure 2, Vers 170 und Sure 5, Vers 104 und leicht abgewandelt in Sure 31, Vers 21 über jene, die von der Rechtleitung der Offenbarung abkommen: „Und wenn ihnen gesagt wird: ‚Folgt dem, was Gott herabgesandt hat‘, sagen sie: ‚Wir folgen lieber dem, was wir bei unseren Vätern vorgefunden haben.‘ Was denn, auch wenn ihre Väter nichts verstanden haben und der Rechtleitung nicht gefolgt sind?“.

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