Das Wesen unseres Glaubens

Wenn wir im Alltag danach gefragt werden, was der Islam ist, antworten viele von uns mit der Aufzählung der fünf Säulen des Islam – das Glaubensbekenntnis, das Ritualgebet, das Fasten, die Pflichtabgabe und die Pilgerfahrt.

Wir neigen häufig zu einer solchen Aussage, weil diese Elemente der Glaubenspraxis uns vertraut und durch häufige Wiederholungen eingeübt sind. Wir machen uns dabei aber selten bewusst, dass diese Aufzählung nur wiedergibt, in welcher Art und Weise wir unseren Glauben in ritualisierter Form leben. Es sind Elemente des „Wie“ unserer Glaubenspraxis. Sie geben aber kaum und nur mittelbar Auskunft über das „Was“ unserer Glaubens, also über die Grundsätze und Prinzipien des Islam.

Weiterlesen “Das Wesen unseres Glaubens”

Danken und Gedenken – der wahre Pfad zur Freiheit der Seele!

Ein Gastbeitrag von Fatih Seyfi

Grenzschließungen, Reiseeinschränkungen, Schließungen von kleinen wie großen Arbeitsstätten, Einschränkungen des persönlichen Treffens im Familien- und Freundeskreis, Quarantäne-Auflagen – es ist jetzt schon gewiss, dass die weltweite Ausbreitung der COVID-19-Pandemie eine einschneidende Zäsur für die Welt darstellen wird. Diese bisweilen für die Menschheit schwierige Phase lässt bei vielen Menschen gleichermaßen Verständnis wie auch Verzweiflung aufkommen. Nicht zuletzt in der postindustriellen, westlichen Welt hat dieser Einschnitt lange als sicher geglaubte Idealbilder ins Wanken gebracht: Vorstellungen uneingeschränkten Konsums, ungebremsten Wirtschaftswachstums und unerschöpflicher Reisebewegungen sind nicht primär durch politische Entscheidungen, sondern letztlich durch epidemiologische Vorkehrungen zusammengebrochen.

Weiterlesen “Danken und Gedenken – der wahre Pfad zur Freiheit der Seele!”

Tue Gutes, so wie Allah dir Gutes tat

Religiosität und Gläubigkeit findet für Muslime nicht in einem begrenzten sakralen Raum statt. Vielmehr spiegelt sich der Glaube in der Haltung und der Handlung der Gläubigen wieder. Der Gottesdienst beschränkt sich nicht auf das Gebet in der Moschee oder das Fasten im Ramadan, es durchzieht das ganze Leben. Religiosität ist auch nicht einzelnen Individuen zugewiesen worden: weder Priester gibt es im Islam, noch Mönche, die eine herausgehobene Stellung unter den Gläubigen einnehmen. “Das Mönchstum wurde uns nicht geboten” (Ahmad b. Hanbal, Musnad), sagte der Prophet zu seinen Gefährten.

Weiterlesen “Tue Gutes, so wie Allah dir Gutes tat”

Menschen sehen dich an

Theodor W. Adorno schreibt in seinem Werk „Minima Moralia“ unter der Überschrift „Menschen sehen dich an“ Folgendes:

„Die Entrüstung über begangene Grausamkeiten wird um so geringer, je unähnlicher die Betroffenen den normalen Lesern sind, je brunetter, »schmutziger«, dagohafter. Das besagt über die Greuel selbst nicht weniger als über die Betrachter. Vielleicht ist der gesellschaftliche Schematismus der Wahrnehmung bei den Antisemiten so geartet, daß sie die Juden überhaupt nicht als Menschen sehen.

Weiterlesen “Menschen sehen dich an”

WER GEWALT IN DIE WELT TRÄGT, KANN NICHT AUF FRIEDEN IM JENSEITS HOFFEN

Islamismus. Islamischer Extremismus. Radikaler Islam. Die Gewalttaten, die in den letzten Jahren von Tätern begangen wurden, die sich auf den Islam berufen, haben unserer Religion eine schwere Hypothek auferlegt. Viele Muslime, die aus einer zutiefst religiösen Überzeugung heraus, aus ihrem fest verankerten Islamverständnis heraus diese Gewalt- und Mordtaten ablehnen, sehen sich zur Rechtfertigung ihres Glaubens gezwungen.

Dieser menschenverachtende Terror hat dazu geführt, dass der Islam gemeinhin als aggressive, intolerante und todessehnsüchtige Religion wahrgenommen wird. Er führt zu Aussagen von Tätern, die sinnbildlich für die vermeintliche Natur des Islam geworden sind: „Ihr liebt das Leben, wir aber lieben den Tod.“ Keine Aussage könnte falscher sein, um den Islam zu beschreiben.

Weiterlesen “WER GEWALT IN DIE WELT TRÄGT, KANN NICHT AUF FRIEDEN IM JENSEITS HOFFEN”

Der Entschluss zum moralischen Leben

Gott fordert uns im Koran immer wieder auf, gemäß bestimmter moralischer Ideale zu handeln, etwa Wahrhaftigkeit (Sidq), Gerechtigkeit (Adl) und Barmherzigkeit (Marhamah). So etwa in Surah 16, Vers 90:

„Siehe, Gott gebietet Gerechtigkeit (Adl) und dass man Gutes tut und dem Verwandten spendet. Und Er verbietet Laster, Verwerfliches und Freveltat. Er ermahnt euch, auf dass ihr euch besinnt!“

Weiterlesen “Der Entschluss zum moralischen Leben”

Wie du wirklich um Vergebung bittest und deine Taten bereust

Ein Gastbeitrag von Akif Sahin

Wir saßen damals in einem Shisha-Café und der junge Mann erzählte schließlich, wieso er sich von seiner Freundin, die eigentlich in ein paar Wochen seine Frau werden sollte, getrennt hat. Er wurde betrogen. Seine Freundin hatte etwas mit einem Anderen und gleichzeitig war er der “Dumme”, der ihren Lebensstil die ganzen Jahre über finanziert hatte. Sie dankte es ihm, in dem sie mit einem Typen ins Bett stieg. Die Trennung war endgültig, zu retten gab es da nichts.

Jahre später rief er mich an und bat mich um einen Termin. Er brachte seine Ehefrau mit und der Termin wurde zu einer Paarberatung. Er hatte den Schmerz und den Vertrauensverlust von damals immer noch nicht überwunden. Seine Frau litt darunter, weil er einfach eifersüchtig und süchtig nach Kontrolle war. Immer wieder begab er sich in Therapie und fiel letztlich wieder in alte Verhaltensmuster zurück. Seine letzte Hoffnung: “Akif abi, kannst du nicht irgendwas aus dem Quran lesen, damit es mir besser geht?”

Weiterlesen “Wie du wirklich um Vergebung bittest und deine Taten bereust”

Das Gebet – Weder Hobby noch Last

Im Quran heißt es: „Trage vor, was dir von dem Buche geoffenbart wird und verrichte das Gebet. Siehe, das Gebet bewahrt vor Schandbarem und Verbotenem. Doch das (ständige) Gedenken an Allah ist fürwahr das Größte. Und Allah weiß, was ihr tut.“ [29:45]

Das rituelle Gebet ist eine der fünf Säulen unserer Religion und viele lernen es bereits im frühen Kindesalter kennen: Wenn etwa die Eltern beten und wir nach Aufmerksamkeit lechzen, schreien, aber keine Reaktion folgt. Das Gebet wird zu einem Teil des Alltags; als Kind versucht man die Bewegungen nachzumachen, ohne zu wissen, was genau es damit auf sich hat. Man wartet gespannt auf das Alter, in dem man selbst bewusst beten kann, zählt – wenn es dann endlich soweit ist – die Stunden, um das nächste Gebet verrichten zu können. Es fühlt sich an, wie ein Schritt zum Erwachsenwerden und erst im Laufe der Pubertät lernt man immer mehr über den Sinn und Zweck dieses Rituals kennen. Die Faszination gegenüber dem Gebet schwindet allerdings oft mit den Jahren und den zunehmenden Verpflichtungen, die mit dem Alter einhergehen. Besonders das Morgengebet wird oft zu einem schwierigen Pflichtprogramm, im Winter womöglich mehr als im Sommer.

Weiterlesen “Das Gebet – Weder Hobby noch Last”

Mono no aware

Sakura heißt die japanische Kirschblüte. Sie blüht in verschiedenen Gegenden Japans zwischen Ende März bis Anfang Mai und läutet mit ihrer Farbenpracht den Frühling ein. Der Kirschbaum trägt keine essbaren Früchte, hat dafür aber viele Blüten. Wenn man so will, erfüllt die japanische Kirsche ihren Lebenszweck nur für die Zeit ihres Erblühens, welches lediglich bis zu 10 Tage im Jahr anhält. In dem Moment, in dem die Blüte ihre prachtvollste Ausprägung erlangt, stirbt sie.

Die Japaner erkennen in diesem Zyklus der Sakura die Endlichkeit ihrer eigenen Existenz. Sie sind voller Trauer über die unabwendbare Vergänglichkeit dieser Schönheit. In den Schmerz und die Ergriffenheit über den Verlust nach so kurzer Freude mischt sich die Erkenntnis der Flüchtigkeit alles Irdischen. Wesentlich für die japanische Kultur ist diese Einsicht der Flüchtigkeit des Lebens und gleichzeitig die Empfindsamkeit, in dieser Flüchtigkeit eine verwundbare, zarte Schönheit zu entdecken.

Weiterlesen “Mono no aware”

Das Fest der Nähe

Wie jedes Jahr feiern wir auch diesmal das Opferfest mit unseren gewohnten Ritualen. Dazu gehört die Schlachtung eines Opfertieres und das Verteilen eines Teils des Fleisches. 

Dieses Ritual ist buchstäblich so körperlich präsent und prägend, dass wir nahezu überwältigt von seiner physischen Kraft uns zunehmend von der ihm innewohnenden und in der Offenbarung beschriebenen Bedeutung entfernen. 

So heißt es (22, 37): „Weder ihr Fleisch, noch ihr Blut werden Allah erreichen, aber ihn erreicht die Gottesfurcht von euch. So hat Er sie euch dienstbar gemacht, damit ihr Allah als den Größten preist, dass Er euch rechtgeleitet hat. Und verkündet frohe Botschaft den Gutes Tuenden.“

Was mag diese Botschaft bedeuten? Im Koran erfahren wir auch, dass Gott uns näher ist als unsere Halsschlagader. Dass er stets mit uns ist, egal wohin wir gehen oder was wir auch tun. Weshalb brauchen wir dann noch einen Ritus, mit dem wir Allah erreichen sollen? 

Weiterlesen “Das Fest der Nähe”