Die Kultur des Sprechens

Als Menschen bedienen wir uns der Sprache, um zu kommunizieren. Dies zeichnet uns Menschen aus und hebt uns von anderen Wesen ab. Sprache ist mehr als ein Mittel. Sprache ist konstituierend und spiegelt mehr als unsere Gefühle, Ideen und Eindrücke wieder. Sie ist Ausdruck unseres Seins. „Sein, dass verstanden werden kann, ist Sprache“, sagte Hans Georg Gadamer. Durch Sprache konstituieren und konstruieren wir unsere Welt und dies hat wieder Auswirkung auf uns und auf die Anderen.

Als muslimische Minderheit kommunizieren wir nicht nur in unseren Muttersprachen, sondern bedienen uns der deutschen Sprache, nicht nur weil junge Menschen die Sprache ihrer Eltern nicht mehr beherrschen. Wir möchten Inhalte, Ideen, Thesen und Eindrücke in die deutsche Sprachwelt übertragen. Manchmal übersetzen wir oder generieren hierbei neue Inhalte. Die Grundannahme dabei ist, dass dies Teil eines offenen Diskurses ist bzw. sein sollte- der offen ist für Rede und Gegenrede. Mit diesem Diskurs prägen wir als Pioniere eines deutschsprachigen Islams eine eigene Sprachkultur, einen Habitus.

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Der Glaube im Instagram-Zeitalter

Was bedeutet es, Muslim zu sein? In unserer Kindheit haben wir in der Moschee gelernt, dass die „32 Pflichten“ (Türkisch „32 farz“) dazu gehören. Demnach realisiert sich der Glaube (iman) im Glauben an die Einheit Gottes, an die Engel, an die Offenbarungen und an die Propheten, an das Jenseits und dem Glaube daran, dass das Schicksal und alles Gute und Schlechte von Gott kommen. Die Umsetzung des Glaubens in die Praxis (islam) besteht im Aussprechen des Glaubenssatzes, im rituellen Gebet, dem Fasten im Ramadan, dem Zahlen der Armensteuer und dem Vollzug der Pilgerfahrt nach Mekka.

Das ist aber natürlich nicht alles. Heute glauben viele Muslime, das Tragen eines Kopftuchs und das Tragen eines Bartes und das räumliche und klangliche Abstandhalten zwischen nicht miteinander verheirateten Männern und Frauen gehöre ebenso zu den Glaubenspfeilern. Viele Muslime glauben auch, dass das Korrigieren von „Fehlverhalten“ von anderen Gläubigen ihnen Bonuspunkte bringt, die sie im Paradies einlösen können.

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Das Anvertraute

Als Muslime in Deutschland leben wir in einer Zeit, in der unsere Religion und wir als ihre Angehörigen von allen Seiten kommentiert, inspiziert, eingeordnet und stigmatisiert werden. Zunehmend geraten wir als Muslime – gewollt oder ungewollt – in eine Rolle, die uns dazu drängt, uns ständig zu bestimmten Fragen und Themen zu positionieren. Anders ausgedrückt sind wir in eine Position geraten, in der wir nicht darstellen, wer oder was wir sind, sondern uns ständig rechtfertigen müssen, wer oder was wir nicht sind. „Liberal oder radikal“, „säkular oder islamistisch“, „pro-Erdogan oder anti-Erdogan“, „integriert oder segregiert“. Es scheint, dass Muslime kaum mehr selbst bestimmen können, wer sie sind, für was sie stehen und wie sie selbst die Dinge einordnen. Viele Muslime sind mit diesen Diskursen überfordert und sehen sich daher gezwungen, eine dieser Positionen einzunehmen, ohne zu reflektieren, ob und was für Auswirkungen derartige Positionierungen für uns Muslime in Deutschland haben. Weiterlesen “Das Anvertraute”

Selfie-Islam

Die Hadsch-Saison ist fast vorüber. Viele unserer Glaubensgeschwister haben auch dieses Jahr wieder Mühe und Strapazen auf sich genommen, um die heiligen Stätten des Islams zu besuchen. Diejenigen von uns hingegen, die zu Hause geblieben sind, haben mit freudiger Anteilnahme und tiefer Wertschätzung die Pilger auf ihre Reise verabschiedet, und womöglich hat der eine oder andere von uns ihnen sogar den Wunsch mitgegeben, dass sie uns in ihre dortigen Gebete einschließen mögen.

Nach der Verabschiedung der angehenden Hadschis kommt gewöhnlich das große, neugierige Warten auf ihre Rückkehr. Zumindest war dies in der Vergangenheit der Fall. Denn seit einigen Jahren nun haben wir dank der sogenannten sozialen Medien die Möglichkeit, ihnen auf Schritt und Tritt zu folgen. Von der Ankunft in Saudi-Arabien über das Ausharren in Muzdalifa und den Gang zwischen Safa und Marwa bis hin zu dem ersten Erblicken der Kaaba, sämtliche Stationen der Reise werden heute anhand von Selfies dokumentiert und fleißig auf Instagram, Facebook und Twitter geteilt.

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Das Opferfest

Auch dieses Jahr feiern wir wieder das islamische Opferfest. Wir sind in Gedanken bei unseren Glaubensgeschwistern in Mekka, die ihre Pilgerreise mit dem Ritus der Schlachtung eines Opfertieres beenden. So wie sie sind auch wir hier in Deutschland dazu berufen, dieses hohe Fest unseres Glaubens mit der Schlachtung eines Opfertieres zu begehen.

Alljährlich ist dieses Opferritual aber auch Anlass zu mannigfaltigen Diskussionen und Kontroversen. Und damit einmal mehr ein Hinweis für uns Muslime, dass wir unseren Glauben nicht in der richtigen und verständlichen Weise zu vermitteln in der Lage sind. Dabei ist gerade das Opferfest wie kein anderer Anlass dazu geeignet, die Essenz des Islam, die Kernaussagen des Islam verständlich zu machen.

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Aufrichtigkeit ist keine Teilzeitbeschäftigung

„Sprecht: Wir glauben an Gott und an das, was zu uns herabgesandt wurde, und an das, was herabgesandt wurde zu Abraham, Ismael, Isaak, Jakob und den Stämmen, und an das, was Mose und Jesus zugekommen ist, und an das, was den anderen Propheten von ihrem Herrn zugekommen ist. Wir machen bei keinem von ihnen einen Unterschied. Und wir sind Ihm ergeben.“ So steht es in Sure 2, Vers 136 des Koran.

Der letzte Satz dieses Verses lautet im arabischen Original „ve nahmu lehu muslimune“. Das heißt, die aufrichtige Haltung, Gott gegenüber ergeben zu sein, sich mit seinem Antlitz Gott zugewandt zu haben, wird als „muslimune“, also als „muslimische“ Eigenschaft beschrieben. Muslimische Frömmigkeit wird somit als eine authentische, eine aufrichtige und wahrhaftig empfundene Ergebenheit beschrieben, die sich in der Haltung des Menschen, in seinem Wesen und seinem Verhalten, manifestiert.

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Was guckst du?

Es ist überliefert, dass unser Prophet (s.a.s.) während einer Freitagspredigt zu seiner Gemeinde über die Tekbir, also den Ausruf „Allahu Akbar“ („Gott ist groß“), sprach und sie mit folgenden Worten ermahnte: „[…] Warum ruft ihr die Tekbir mit lauter Stimme? Ihr betet nicht zu einem Tauben oder einem Verirrten. Im Gegenteil: Ihr betet zu As-Semi, zu dem, der alles hört. Und zu Al-Basir, zu dem, der alles sieht. Der, zu dem ihr betet, ist euch näher als der Hals des Tieres, auf dem ihr reitet. […] Soll ich dich ein Wort aus den Schätzen des Paradieses lehren? Dieses Wort lautet „La havle vela kuvvete illa billah!“ (Die Stärke und die Kraft sind allein Gottes)

Der Islam ist eine Religion der Aufrichtigkeit, eine Religion der Feinheit und der Schönheit. Er ist nicht die Religion des groben Wortes oder der groben Tat. Selbst als die Gemeinde unseres Propheten (s.a.s.) in Mekka angefeindet wurde und den Islam nur unter großen Widrigkeiten ausüben konnte, hat sie nicht durch lautes Schreien oder ähnliche Aufdringlichkeiten versucht, andere Menschen einzuschüchtern. Weiterlesen “Was guckst du?”