Alle Jahre wieder …

Weihnachtszeit. Jedes Jahr wiederholen sich die Rituale anlässlich dieses Festes. Unter Muslimen schwelen innere Spannungen zwischen emphatischer Freude, der Suche nach den islamischen Quellen, welche die Geburt Jesu schildern, aber auch einer verstörenden Ablehnung, christlichen Mitbürgern auch nur frohe Weihnachten zu wünschen.

Letzteres ist häufig der Ausdruck einer eigenen Unsicherheit im Glauben. Wenn sich Frömmigkeit ihrer Festigkeit dadurch vergewissern muss, andere Glaubensüberzeugungen fundamental abzulehnen und ihre Präsenz nicht als Wert einer vielfältigen Gesellschaft zu schätzen, führt das zu einer Einfältigkeit im eigenen Glauben und erstickt unsere Möglichkeiten, einander achtsam zu begegnen – und Freude an der Freude des anderen nachzuempfinden.

Weiterlesen “Alle Jahre wieder …”

Chanukka sameach!

„Baruch Atah Adonaj, Elohejnu Melech ha’Olam, schehechejanu, vekijemanu vehigianu laSman haseh.“

„Gepriesen seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der Du uns hast Leben und Erhaltung gegeben und uns hast diese Zeit erreichen lassen.“

Dies ist einer der drei Segenssprüche, mit dem das erste Licht des Chanukka-Leuchters entzündet wird. Unsere jüdischen Geschwister begehen in den kommenden Tagen das jährliche Chanukka-Fest im Gedenken an die Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem.

Weiterlesen “Chanukka sameach!”

Maria

Jedes Jahr um die Wintersonnenwende, wenn die kürzesten Tage des Jahres uns mit Kälte, Nebel und Dunkelheit umhüllen, zünden Christen Kerzen an und Gedenken der Geburt Jesu. Und jedes Jahr um die Weihnachtszeit fragen sich Christen und Muslime im interreligiösen Miteinander, was denn die Stellung Jesu im Islam sei. Die Antwort ist: Jesus ist ein Prophet Allahs, so wie Muhammad (sas) auch. Daraufhin kommt die Frage: Was sagt denn der Koran zu Jesus? Zu seiner Kreuzigung? Zu seiner Auferstehung? Zu seinen Wundern? Das sind berechtigte Fragen. Allah spricht im Koran aber nicht nur zu den Fragen, die wir uns heute stellen. Er hat anderes und mehr zu sagen.

Wenn wir den Koran – ohne vorformulierte Fragen – lesen, werden wir Folgendes bemerken: Maria (Maryam) erhält im Koran viel mehr Aufmerksamkeit als Jesus. Sie ist die Protagonistin der koranischen Erzählung, nicht Jesus.

Weiterlesen “Maria”

Mit Allah in Resonanz

Ein Gastbeitrag von Sumayya Ahmed

Das islamische Glaubensbekenntnis beginnt mit »la ilaha illa Allah«. Das »la« (nein) ist eine Verneinung und Lossagung von allem Unwahrem, um dem Wahrhaftigen, Allah (swt), zu begegnen. »La ilaha illa Allah« bedeutet, nichts und niemand ist so wie Allah (swt). Der Schöpfer. Der Eine und Einzige. Nichts und niemand ist beständig, ewig und allmächtig. Außer Allah (swt). Keine Sorge, kein Kummer und keine Angst sind größer als Allah.

Das Glaubensbekenntnis ist kein Lippenbekenntnis, sondern ein performativer Akt des Herzens. So heißt es bei einem Hadith überliefert von Imam Muslim: »Allah schaut nicht auf eure Gestalten und eure Güter, sondern auf eure Herzen.«

Was bedeutet es Allah ins Zentrum seiner Existenz zu setzen und was macht das mit dem Alltäglichen bzw. Alltag des Menschen, gläubig zu sein?

Weiterlesen “Mit Allah in Resonanz”

Alter Sprengstoff

Das Unrecht schlägt uns nicht wie ein nasses Handtuch ins Gesicht. Es fällt nicht über uns her. Es überwältigt uns nicht. Das Unrecht kommt nicht als Feind, nicht als zwielichtige Gestalt, vor denen wir uns fürchten. Das Unrecht stößt uns nicht ab, es erzeugt keinen Widerwillen in uns.

Das Unrecht nähert sich uns als alter Bekannter, als Vertrauter. Es zeigt sich uns im Gewand des Freundes, des Besorgten. Das Unrecht erscheint uns in Gestalt der Fürsorge und des legitimen Grundes. Es schleicht sich nicht von hinten an uns heran. Es sieht uns jeden Tag ins Gesicht, mindestens jeden Morgen im Spiegel. Es sagt uns, „Du hast Recht!“, „Du musst so handeln!“, „Es geht hier schließlich um Dich, um uns!“.

Weiterlesen “Alter Sprengstoff”

Bismi ’llahi ’r-rahmani ’r-rahim

Paris. Nizza. Wien. Wieder und wieder erleben wir die Gewalt von Tätern, die für sich beanspruchen, im Einklang mit unserem Glauben zu handeln.

Sie wollen im Namen unseres Glaubens Kränkungen vergelten. Sich rächen. Oder Strafen vollstrecken.

Die Täter fühlen sich als Opfer. Sie erheben sich zum Ankläger. Und sie richten über andere.

Das Gefühl der Nachsicht ist ihnen fremd. Die Bedeutung des Erbarmens ist ihnen unbekannt. Die Möglichkeit der Vergebung ist ihnen ferner als die Möglichkeit, einem anderen Menschen das Leben zu nehmen.

Weiterlesen “Bismi ’llahi ’r-rahmani ’r-rahim”

Frieden sei mit ihm

In dieser Woche begehen viele Muslime weltweit Feierlichkeiten zum Gedenken an die Geburt unseres Propheten Mohammed (S.A.S.). Seiner wird in Liebe und Ehrerbietung gedacht. Es gehört zu dieser Achtung und Wertschätzung, dass sein Name, wann immer er ausgesprochen oder geschrieben wird, von dem Wunsch nach Frieden begleitet wird: S.A.S. steht als Abkürzung für die Achtungsbekundung „Salla -llahu Aleyhi wa-Salam“ – „Allahs Segen und Frieden sei mit ihm“. 

Es ist vielleicht eine der rätselhaften Fügungen Allahs, dass unser Gedenken in diesem Jahr mit dem Streit um seinen Namen und seiner karikaturistischen Abbildung zusammenfällt. Wir sollten das nicht als Zufall oder Provokation begreifen.

Weiterlesen “Frieden sei mit ihm”

Nicht zum Sterben, zum Leben sind wir erschaffen

Der Tod ist für den Menschen der verstörendste “Lebensabschnitt”. Er ist endgültig und sein Kommen ist sicher. Dennoch überrascht uns jeder Todesfall, je näher uns der oder die Verstorbene stand, umso mehr. Natürlich schmerzt der Verlust, die irdisch-endgültige Trennung von einer geliebten Person. Jeder Todesfall erinnert uns aber auch an unsere eigene Sterblichkeit, unsere Vergänglichkeit, an ein abruptes Ende, das all unsere Planungen und Vorsätze beendet.

Ein Entrinnen vor dem Tod, eine Möglichkeit ihn zu überwinden bietet der Islam nicht an. Vielmehr hält er den Menschen dazu an, sich an diesen Gedanken zu gewöhnen, das Natürliche darin zu erkennen:

“Dann wird der Todesrausch die Wahrheit bringen: Das ist es (Mensch), dem du zu entkommen suchtest.“ (Sure Qaf (50), 19)

Weiterlesen “Nicht zum Sterben, zum Leben sind wir erschaffen”

Der Wert des Lebens

Gewohnheiten bestimmen unser Leben. Sie gestalten unseren Alltag, prägen unsere Entscheidungen und verfestigen unsere Handlungsmuster. Über Gewohnheiten denken wir selten intensiv nach. Mit vielen wachsen wir auf und erleben sie als ganz selbstverständlich.

Unsere Gewohnheiten sind so mächtig, dass wir Verhaltensweisen einüben und nie wieder anzweifeln, selbst wenn sie unseren inneren ethischen Überzeugungen widersprechen – eben weil wir uns an sie gewöhnt haben, weil sie uns normal erscheinen. Wir müssen diese Gewohnheiten in ihrer alltäglichen Praxis nicht vor uns oder anderen rechtfertigen. Sie gelten nicht als verwerflich. Niemand hält sie uns als Übel oder grausames Verhalten vor.

Weiterlesen “Der Wert des Lebens”