Der Rassist in mir

Rassisten sind nicht nur die Anderen. Ein Eingeständnis, das uns schwer fällt, denn dafür braucht es eines kritischen Blickes in das eigene Selbst, in die eigene Gruppe, Gemeinschaft, Nation. Die allgemein akzeptierte Definition von Rassismus nimmt den Blick auf den Anderen in ihr Zentrum. Rassismus ist demnach eine Ideologie, die Menschen aufgrund ihres Äußeren, ihres Namen, ihrer Kultur, Herkunft oder Religion abwertet.

Antirassismus, die Auseinandersetzung mit Rassismus, baut folgerichtig  darauf auf, wie mit dem Anderen umgegangen wird, welche Haltung dem Anderen gegenüber gezeigt wird. Der rassistischen Abwertung des Anderen geht oftmals eine bewusste oder unbewusste Aufwertung des Eigenen voraus: der eigenen Person, der eigenen Gruppe, der eigenen Gemeinschaft oder Nation. Dafür braucht es jedoch keiner hochtrabenden Manifeste. An unseren Handlungen oder unserer Untätigkeit können wir bereits sehen, ob wir nicht auch selbst Gefahr laufen, in rassistische Denkstrukturen zu verfallen.

Gerade in Deutschland sind es oft Zugewanderte, aber auch Muslime als religiöse Minderheit, die immer wieder Opfer von Rassismen werden. Doch jede Minderheit hat auch Kontexte, in der sie selbst die Mehrheit stellt. Würde das Dasein als Minderheit eine immunisierende Wirkung dagegen haben, selbst zum Rassisten zu werden, würden schwarze Muslime, muslimische Sinti und Roma, aber auch zum Islam konvertierte Muslime in unseren Gemeinden keine Probleme haben. Das Gegenteil ist der Fall.

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… nicht mehr Wert als der Nichtaraber

Nächstes Jahr wird es 70 Jahre her sein, seitdem in Deutschland die Verfassung, das Grundgesetz, mit den Worten “Die Würde des Menschen ist unantastbar” entworfen worden ist. Nur vier Jahre davor wurde Deutschland von Unmenschlichkeit und Barbarei regiert. Würde, Menschlichkeit, alles konnte angetastet,verletzt, missachtet werden. Menschen sollten jeweils unterschiedlich Wert sein, je nach religiösem oder ethnischen Hintergrund wurde über ihre Zukunft, über Leben und Tod entschieden. Die Nationalsozialisten waren neben anderem auch durch und durch Rassisten. Unterschiede zwischen Menschen wurden überhöht, wo es sie eigentlich nicht gab. Sie wurden künstlich geschaffen.

Doch mit dem Ende der Nationalsozialisten und der Einführung des Grundgesetzes verschwand der Rassismus nicht aus diesen, unseren Gefilden. Immer wieder bricht er durch, zuletzt ganz massiv in Chemnitz. Er zeigt, dass es noch genug Menschen in Deutschland gibt, die nicht bereit sind, Unterschiede zu akzeptieren oder gar zu respektieren.

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Wer wir sein wollen

Im August 2008 erstattete Marwa El-Sherbini Anzeige gegen Alex Wiens, der sie rassistisch beleidigte und trat im Verfahren als Zeugin gegen ihn auf. Als er sie erneut – diesmal im Gerichtssaal – verbal angriff, legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein, um ein höheres Strafmaß zu erreichen. Auch in dieser Verhandlung trat El-Sherbini als Zeugin auf. Wiens ging mit einem Messer auf sie los und stach 18-mal auf sie ein. Sie starb noch im Gerichtssaal. Wiens wurde im gleichen Jahr wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Es ist der erste antimuslimisch motivierte Mord in Deutschland.

Dieser Fall erweist sich auf verschiedenen Ebenen eine große Tragödie: El-Sherbini hatte alles richtig gemacht. Sie wurde Opfer einer rassistisch motivierten Straftat und wehrte sich dagegen mit den gegebenen rechtlichen Mitteln. Aber weder sie noch das Gericht rechneten mit dem Ausmaß des Hasses von Wiens. Wer wäre auch auf die Idee gekommen, dass jemand tatsächlich in einem Gerichtssaal und vor Zeugen solch eine Tat planen könnte. Es gab im Gerichtsgebäude keine Sicherheitskontrollen, sodass Wiens das Messer unbemerkt mit in den Gerichtssaal nehmen konnte. Das kostete die Leben von Marwa El-Sherbini und ihres ungeborenen Kindes. Ihr Ehemann, der ihr zur Hilfe eilte, erlitt nicht nur selbst Messerstiche von Wiens, sondern wurde auch von einem Polizisten angeschossen, da dieser ihn fälschlicherweise für den Angreifer hielt. Weiterlesen “Wer wir sein wollen”