Der Ramadan ist Gottesnähe

Ruhig ist es, wie an einem warmen Sommerabend auf einer weiten Wiese. Ein leichter Lufthauch umströmt uns, fern aller Hektik und Sorge. So in etwa fühlt sich für viele Muslime der erste Abend des Fastens im Ramadan und viele weitere Abende dieses besonderen Monats an. Diese Minuten vor dem Fastenbrechen, wenn man sich mit seinen Liebsten an den Tisch setzt, aber die Aufmerksamkeit nicht dem Essen gilt, sie fühlen sich besonders intensiv an. Es mag verwundern, dass zu diesem Zeitpunkt nicht der Hunger die treibende Kraft ist. Vielmehr scheint die Seele die Kontrolle über das Fleischliche des Menschen wieder zurückzugewinnen. In diesen letzten Minuten ist dem Fasten eine besondere Ruhe inne.

Schon der erste Tag ist ein ganz Anderer. Der Fastende hat den Tag über nicht gehungert, er hat Gott gedacht – auf unterschiedlichen Wegen. Der Tag begann sehr früh mit dem gemeinsamen Essen. Selbst die Kinder sind aufgeregt um dieses Mahl zu erleben, auch wenn sie zu jung für das Fasten sind. Die Eltern wollen sie nicht aufwecken, erinnern sich aber daran, dass sie selbst damals aus Trotz und Vorfreude erst gar nicht zu Bett gegangen sind. Und wie sauer sie noch als Kind auf die Eltern waren, weil sie einen nicht zum Sahur, dem letzten Essen vor der Morgendämmerung geweckt hatten. Mit dem Sahur fängt das Fasten an. Durchgefastet haben und mussten wir in dem Alter nicht, doch waren wir stolz für jede weitere Minute, die wir geschafft haben. Selbst ins Erwachsenenalter retten sich die Erinnerungen an den köstlichen Geschmack dieses frühen Essens. Dabei gab es keine besonderen Speisen, eher schlicht war die Speisekarte. Aber die Vorfreude auf das Fasten lag in der Luft, belegte das Gegessene mit einer unvergesslichen Essenz. Nicht um die Nahrungsaufnahme ging es damals und geht es heute, sondern um den spirituellen Beginn des Tages.

Mit klarem Geist und klarem Herz beginnt früh der Tag, mit jedem weiteren Gebet, jeder weiteren Rezitation des Koran öffnen sich Geist und Herz der Nähe Gottes. Unbelastet von Bedürfnissen wie Essen und Trinken, wird der Muslim seinem Innersten Gewahr:

“Wir schufen einst den Menschen und wissen ganz genau, was seine Seele ihm einzuflüstern sucht: Denn wir sind ihm viel näher noch als seine Halsschlagader.” (50:16)

Im Ramadan spüren wir diese Nähe besonders intensiv. Das in sich gehen im Gebet, aber auch in der Geduld und der Ruhe des Fastens lässt den Gläubigen diese Nähe spüren. Wie nach innen sind auch die Sinne nach außen geschärft. Die Umwelt wird viel intensiver wahrgenommen, der Umgang mit ihr geschieht bewusster. Den Tag in dieser Geisteshaltung verbracht, ist es nicht der Hunger, der die Gedanken zum Iftar, dem Fastenbrechen beschäftigt.

Nur wenige Tage sind es noch, bis diese Zeit für uns Muslime wieder anbricht. Und schon jetzt steigt die Vorfreude und Erwartung, auf eine Erfahrung an Spiritualität, die nur in diesem Monat so intensiv erlebt werden kann. Gemeinsam werden wir das Fasten beginnen, so oft es möglich ist, gemeinsam beten und rezitieren, gemeinsam unser Brot brechen. Und am liebsten haben wir dabei unsere Familie und Freunde dabei, unabhängig davon, ob es Muslime sind oder nicht. (ek)