Wenn Allahs Hilfe kommt…

Acht Jahre waren vergangen, seit er diese Stadt fluchtartig verlassen musste. Nach seinem Leben hatten sie getrachtet, so weit waren sie damals bereit zu gehen. Über 20 Jahre waren vergangen, als er am Rande dieser Stadt die erste Offenbarung erhalten hatte. 20 Jahre voller Entbehrung, Zurückweisung, voller Sorgen aber auch Freuden. Und nun war er zurück, in der Stadt Abrahams, in der der “Freund Gottes” (Khalilullah) mit seinem Sohn die Fundamente des “Hauses Gottes” gelegt hatte.

Der Prophet war wieder in seiner Geburtsstadt Mekka, er war als Sieger eingezogen. Tage des Triumphs durchlebten der Prophet und seine Gefährten, aus dem Umland strömten Neugierige nicht nur in die Stadt, sondern auch in den Glauben. Jetzt wäre es endlich an der Zeit, den Sieg zu feiern, mit Stolz auf den Erfolg zu zeigen, auf die wachsenden Zahlen, die strömenden Mengen an Menschen. 

Doch es ist nicht Hochmut, die in dieser Stunde offenbart wird, nicht dem Stolz wird gehuldigt, Demut ist es, die als Botschaft herabgesandt wird: 

“Wenn Allahs Hilfe kommt und der Sieg
und du die Menschen siehst, 
wie sie in Allahs Din eintreten – in Scharen, 
dann lobpreise deinen Herren, und bitte ihn um Vergebung!
Siehe, er ist gnädig zugewandt.” (Sure an-Nasr, 110 (der Beistand))

Wie irritierend uns diese Art des Denkens erscheinen mag, wo wir es doch vorziehen, den Erfolg immer uns selbst und das Scheitern möglichst anderen zuzuschreiben. Der Erfolg ist unser Zenit, einer unserer Götzen, dem wir nur zu gerne bereit sind, zu huldigen. Und wehe, jemand wagt es, einen Schatten auf ihn zu werfen, ihn mit Fragen oder Skepsis zu relativieren, ihn zu trüben.

Hier ist es aber Allah, der seinen Propheten gerade dann zur Demut aufruft, als wir Siegeshymnen erwarten. Vielleicht, weil der Mensch gerade in dieser Stunde am verletzlichsten ist, besonders schwach. Nichts steht in solch einem Moment vor unserem Stolz, vor unserem Hochmut, alles Recht nehmen wir uns heraus, wir sind die Sieger, die alle “unterworfen” haben und keinem Rechenschaft schuldig sind.

“Doch!” sagt uns dieses kurze Kapitel des Korans, dessen drei Verse zu den letzten herabgesandten gehören. “Gerade jetzt musst du dir bewusst werden, dass es noch Allah gibt über dir. Dem du dein Leben, das Gute und Schlechte darin, deinen Misserfolg aber auch diesen Erfolg hier zu verdanken hast. Lasse Dir diesen Erfolg nicht zu Kopf steigen, denn nur mit seiner Hilfe, war er dir möglich.” Ihn zu lobpreisen bedeutet, sich der eigenen Menschlichkeit auch im Erfolg bewusst zu sein, Demut zu zeigen. Seine Vergebung wird notwendig, angesichts der eigenen Überhöhung, gerade auch den eigenen Mitmenschen gegenüber.

Nur zwei Monate später verließ der Prophet das irdische Leben, seine Aufgabe war zu diesem Zeitpunkt fast erfüllt, seine Botschaft überbracht. In diesen verbliebenen zwei Monaten würden mehr Menschen den Islam annehmen, als in den 20 Jahren seiner Prophetie davor. Und Allah bereitet ihn für diese Phase mit seiner an-Nasr, seinem Beistand vor. Indem er ihn im Sieg zur Demut, im Triumph zur Lobpreisung, im Zeitpunkt des Erfolgs zur Reue ermahnt. Auf dass er(wir) nicht vergesse(n), dass der Mensch auch in diesem Zustand Mensch bleibt, gleich gegenüber seinen Mitmenschen, vergebend bezüglich ihrer Fehler, reumütig wegen seiner eigenen. 

“Friede über ihm am Tag, da er geboren wurde,
am Tag, an dem er sterben wird, 
und an dem Tag, da er zum Leben auferstehen wird.” (19:15)

(ek)