Es ist der Monat der Besinnung, der Bewusstwerdung. So stellen wir uns den Ramadan vor, so wird er uns immer wieder fromm beschrieben. Nur, was sollen wir uns bewusst werden, um welche Besinnung geht es dabei?
Naheliegend ist beim Ramadan die Verknüpfung mit dem Thema Konsum und Enthaltsamkeit. Das Fasten in dem Monat, der Verzicht auf Speise und Trank von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang, rückt für uns in das Zentrum unserer Betrachtung. Das Fasten steht als Gottesdienst im Zentrum dieses Monats, wir fokussieren unser Wirken ganz selbstverständlich auf dessen Umsetzung. Wir reden über den Verzicht, welche spirituellen Zugänge uns darüber eröffnet werden. Der Ramadan soll uns in Erinnerung rufen, dass es auch Menschen ohne täglich Brot gibt.
Eine Frage bleibt dabei unbeantwortet: Warum fasten dann denn die Notleidenden mit? Es gibt zahlreiche Ausnahmen für das Fasten, Schwangerschaft, das Alter – zu jung oder zu alt -, Erkrankungen und einiges andere. Armut gehört nicht zu diesen Ausnahmen. Welchen Sinn hätte es dann denn, dass derjenige, der sowieso nicht viel hat, sich mit dem Fasten des Nicht-Viel-Habens bewusst wird?
Liegt der Verzicht dann vielleicht doch nicht im Zentrum dieses Monats? Ist der Verzicht nicht vielmehr ein Mittel, der einen anderen Aspekt dieses Monats erleichtern soll, nämlich die Beschäftigung mit dem Koran?
Vom Propheten ist überliefert, dass er im Ramadan den Koran systematisch rezitiert hat, im letzten Ramadan vor seinem Ableben sogar zwei mal. Der Vers des Korans, in dem das Gebot des Fastens aufgestellt wird, verknüpft das Fasten-Gebot nicht mit dem Verzichtgedanken, sondern mit der Herabsendung des Korans:
„Es ist der Monat Ramadan, in welchem der Koran als Rechtleitung für die Menschen und als Beweis dieser Rechtleitung und als Maßstab herabgesandt wurde. Wer von euch in diesem Monat zugegen ist, soll während seines Verlaufs fasten. […]“ (2:185)
Nicht unserem Verzicht gilt die Aufmerksamkeit. Der Verzicht ist vielmehr ein Mittel, um in einer Form der spirituellen Einkehr sich noch intensiver als sonst mit der Botschaft des Korans zu beschäftigen, sich mit seiner Rechtleitung auseinanderzusetzen.
Dabei reicht nicht die reine Rezitation des Textes. Denn dabei können selbst arabische Muttersprachler nicht auf Anhieb die Botschaft erfassen. Was wir brauchen, ist eine Auseinandersetzung, ein Herantreten an den Inhalt, eine Verständigung mit der Botschaft dieses Buches.
Dabei könnte uns auffallen, dass etwas nicht stimmen kann, wenn der Konsum in diesem Monat nicht zurückgeht, sondern einen merklichen Anstieg verzeichnet. Ein Freund berichtete vor einigen Tagen von seinem Besuch auf einer der Festlichkeiten zum Ramadan. An diesen ist grundsätzlich nicht auszusetzen – selbst in ihrer jetzigen Form können sie einen spirituellen Beitrag und schöne Erfahrungsmomente liefern. Nach der Zeit des Fastenbrechens bieten sie jedoch auch den Blick auf Müllberge aus Einweggeschirr und anderen Wegwerfartikeln.
Der Prophet Muhammad (Friede sei mit ihm) beschrieb den Muslim als jemanden, von „dessen Hand und dessen Zunge niemandem ein Schaden zugefügt“ werden würde. Sollte unser Mehr an Spiritualität in diesem Monat nicht unsere Umsicht im Umgang mit unseren Mitmenschen, aber auch mit unserer Umwelt steigern?
Das Fasten soll und kann uns dabei helfen. Es hilft uns, sich auf wesentliche Fragen zu konzentrieren, die Botschaft des Korans und unsere Mitmenschen eher an unsere Herzen heranzulassen. Es hilft uns bei der Besinnung darüber, die Folgen unseres Tuns und Lassens besser abzuschätzen. Es gibt uns die Möglichkeit der Umkehr, die Möglichkeit, vielleicht doch nicht davon schmecken zu müssen, was wir mit unseren eigenen Händen mit unserer Umwelt angerichtet haben.
„Sichtbar geworden ist das Verderben auf dem Festland und im Meer,
ob dessen, was der Menschen Hände angerichtet,
dass er (Allah) sie einiges von dem, was sie getan, schmecken ließe.
Vielleicht kehren sie ja um!“ (30:41) (ek)