Ein Gastbeitrag von Fatih Seyfi
Weltweit werden viele ethnische wie kulturelle Minderheiten dazu gezwungen, sich einem Zwang der Anpassung und der Aufgabe kultureller Eigenheiten zu unterwerfen. Eines der aktuellsten Beispiele sind die muslimischen Uighuren in China. Schätzungen zufolge werden mehr als eine Millionen Uighuren sowie Angehörige anderer muslimischer Minderheiten in der Nordwest-Provinz Xinjiang in sogenannten „Umerziehungslagern“ interniert, misshandelt, zur Zwangsarbeit und zur Aufgabe ihrer religiösen und kulturellen Bräuche gezwungen.
Der Islam lehnt den Gedanken der kulturellen und „rassischen“ Homogenisierung entschieden ab. Der edle Koran verdeutlicht in Sure 49, Vers 13: „Ihr Menschen! Siehe, wir erschufen euch als Mann und Frau und machten euch zu Völkern und Stämmen, damit ihr einander kennenlernt.“ Der Allmächtige hebt hervor, dass ethnische, sprachliche und kulturelle Unterschiede natürlicher Teil seiner Schöpfung sind. Ein klarer Imperativ wird uns dabei mit auf den Weg gegeben: einander zu erblicken, sich zu verstehen und zu respektieren. Rassismus und Chauvinismus werden von Allah missbilligt. Und auch der Gesandte Gottes Sayyidina Muhammad (Friede sei mit ihm) bekräftigte in seiner Abschiedspredigt an die Menschheit: „O ihr Menschen! Ein Araber ist nicht mehr wert als ein Nichtaraber, noch ist ein Nichtaraber mehr wert als ein Araber; weder ist ein Schwarzer mehr wert als ein Rothäutiger, noch ein Rothäutiger mehr als ein Schwarzer; das einzige Maß der Überlegenheit ist Takwa (Ehrfurcht vor Allah).“ Der Allmächtige und sein letzter Gesandter betonen also die Schöpfung und Existenz unterschiedlicher Völker, sprachliche wie kulturelle Vielfalt, und im gleichen Atemzug die Unvereinbarkeit von Rassismus und Chauvinismus mit wahrhaftigem Glauben. Wer unterschiedliche Sprachen und Kulturen, verschiedene Ethnien und Traditionen leugnet, der leugnet die Schöpfung Allahs.
Die Auseinandersetzung von Muslimen mit Rassismus und Assimilation geht jedoch fehl, wenn allein die Verhältnisse in Ländern, in denen Muslime in der Minderheit sind, thematisiert, aber die Verwerfungen in der islamischen Welt wie auch in der eigenen Gemeinschaft in dieser Angelegenheit beharrlich ignoriert werden. Dabei ermahnte unser Prophet Muhammad (sas): “Rassismus (Asabiya) ist, dass jemand das Unrecht seines Volkes, seiner Gemeinschaft verteidigt.”
In vielen muslimisch geprägten Ländern gab und gibt es traurige Beispiele nationalistischen Strebens nach ethnischer Homogenität und kultureller Dominanz. Anti-schwarzer Rassismus wie auch eine wachsende Feindseligkeit gegen Flüchtlinge in muslimischen Gesellschaften stellen weitere, verwerfliche Beispiele dar.
Vor diesem Hintergrund muss uns klar sein: Wer zu Recht Rassismus in Gesellschaften anprangert, in denen Muslime in der Minderheit sind, verliert an Glaubhaftigkeit, wenn über gelebten Rassismus von Muslimen gegen Muslime wie auch gegen Nicht-Muslime hinweggesehen wird. So wie unsere Seelen mit Bösem wie mit Gutem auf die Probe gestellt werden (Sure 21, Vers 35), so ist das friedliche Zusammenleben in Vielfalt wahrlich auch eine Prüfung des Allerbarmers für alle Gläubigen. Sure 5, Vers 48 schildert: „Für einen jeden von euch haben wir Bahn und Weg gemacht. Hätte Gott gewollt, er hätte euch zu einer einzigen Gemeinde gemacht – doch wollte er euch mit dem prüfen, was er euch gab. Wetteifert darum um das Gute!“Sure 30, Vers 22 zeigt auf: „Und zu seinen Zeichen gehört die Erschaffung der Himmel und der Erde und die Verschiedenheit eurer Sprachen und eurer Farben. Siehe, darin sind wahrlich Zeichen für die Wissenden.“ Lasst uns immer vergegenwärtigen, dass ethnische, sprachliche und kulturelle Vielfalt ein weiteres Wunder des Allmächtigen sind. Und lasst uns in diesem Sinne wie der Sufi-Meister Schibli den Herrn des Ostens und des Westens ersuchen: „O Allah, mache alle Geschöpfe sehend, damit sie Dich sehen!“