Wissen ist Glaubenspflicht, nicht Halbwissen

Der Prophet Mohammed (Friede sei mit ihm) sagte einst:

„Nach Wissen zu streben ist eine Pflicht für jeden Muslim, Mann und Frau. Darum strebt nach Wissen, wo es zu finden ist, und erfragt es von all denen, die es besitzen.“

Ein sehr wichtiger Ausspruch, der gerade in der heutigen Zeit von großer Bedeutung ist. In Zeiten, in denen wir von einer Fülle von Informationen umgeben sind und es nicht immer einfach ist, sie richtig zuordnen zu können. In virtuellen Räumen, die sich manchmal den Maßstäben der Seriosität und der allgemeinen Verhaltensregeln entziehen. Gerade die derzeitigen globalen Krisen wie der Klimakrise, Corona oder auch der Entsolidarisierung der Gesellschaft mit den sozial Schwachen und Minderheiten werfen bei vielen Menschen Fragen nach den passenden Antworten auf. Denn nichts verunsichert mehr, als kein Wissen über eine Angelegenheit zu haben.

Wir erleben derzeit einen wahren Boom nach Antworten auf schwierige Fragen. Gerade vor dem aktuellen Hintergrund um die Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus kursieren millionenfach Videos und Nachrichten, deren Urheber zu wissen glauben, was es damit auf sich haben könnte.

Einige Videos sind wissenschaftlich belegt und haben aufklärenden Charakter.  Schließlich ist die aktuelle Situation bisher einmalig in der Weltgeschichte. Die Situation nutzen aber auch Menschen aus, die bewusst Misstrauen und Fakenews streuen, um zu verunsichern und Leute gegeneinander aufzubringen. In der Hoffnung auf mehr Aufmerksamkeit werden somit althergebrachte Verschwörungsmythen in ein neues Gewand gepackt, ohne das es von vielen bemerkt wird.

Schnell wird die Welt in schwarz und weiß aufgeteilt und angeblich geheime Machenschaften einzelner Personen oder Gruppen scheinen derzeit an der Situation schuld zu sein oder sollen gemäß den Thesen der Verschwörungsmystiker an der Krise verdienen. Nicht selten gesellen sich noch rassistische und antisemitische Motive dazu, die kritiklos verbreitet werden. Dabei stammen die Urheber dieser Botschaften nicht selten aus dem Rechtsextremismus.

Auch unter jungen Muslimen machen solche Videos und Texte die Runde. Man hört im Bus oder in der Pause von den ungeheuerlichen Thesen, die die vermeintlichen Experten da von sich geben. Die Diskussionen gehen dann in den Familien weiter, wo bei nächster Gelegenheit gleich weitere Videos weitergeleitet werden.

So entsteht eine Blase, die immer weniger für andere Informationen und Sachargumente zugänglich wird. Schließlich will man sich als „Wissende/r“ nicht vor der Familie und Freunden bloßstellen lassen.

Dabei muss es für jede Muslima, jeden Muslim eigentlich eine Pflicht sein, sich mit den Urhebern solcher Informationen auseinanderzusetzen. Dabei sind folgende Fragen relevant:

Wer ist diese Person, die das behauptet? Hat diese Person tatsächlich genug Expertise? Was ist persönliche Meinung, was basiert auf Fakten? Sind die Quellen zuverlässig? Und ganz wichtig: was macht diese angebliche Information mit mir und anderen? Neben der Erlangung von Wissen ist somit das Wissen um die Herkunft der Informationen ebenso notwendig. Wissen ist Glaubenspflicht, nicht Halbwissen.