Ein Gastbeitrag von Hilal Sezgin-Just
Wir hören in diesen Tagen immer lauter die Schreie der Erde, die uns zu mahnen versuchen, doch wir lassen sie nicht zu uns durchdringen. Zu beschäftigt sind wir im Alltag, um uns mit Themen wie Umweltschutz und Konsumverhalten zu befassen, und als Einzelner können wir doch eh nichts bewirken, so denken wir. Wir schwimmen im Strom der Zeit, bevorzugen die Bequemlichkeit von Plastiktüten und waschen unsere Töpfe dreifach, bevor wir sie in den Geschirrspüler räumen. Gleiches gilt für die gesegneten Abende des Ramadan, in denen wir mit Familie und Bekanntschaft zusammenkommen, um zwanzig Minuten später mit unnötig vollgestopftem Bauch das Gebet zu verrichten. Dabei sind wir als Muslime dazu verpflichtet, isrāf, Verschwendung, zu meiden, das ökologische Gleichgewicht der Natur zu bewahren, Verantwortung für unser Tun und Handeln zu übernehmen und gute Taten zu vollbringen. In der Sure ar-Rahman heißt es:
“Allah erhob den Himmel und wahrte das Gleichgewicht. Dass ihr dieses Gleichgewicht nicht stört.” (55/7-8)
Diese Mahnung bleibt oft unerhört, bleibt in vielen Predigten und gelehrten Diskussionen unberücksichtigt. Wir beschäftigen uns fast ausschließlich mit praktischen Regeln und Ritualen, während ökologische Themen häufig auf der Strecke bleiben. Das simple Vermeiden von Plastiktüten beispielsweise, wird oft belächelt und als neumodische Marotte degradiert. Dabei sind gerade Plastiktüten ein so sinnfälliges Symptom unserer modernen Zeit, die nach dem trostlosen kapitalistischen Motto „Nutzen und Wegwerfen“ funktioniert; oder eben, anders ausgedrückt, Verschwendung.
Es geht in dem Bemühen um verantwortungsbewusstes Handeln nicht notwendigerweise darum, die ganze Welt zu verändern. Diesem Anspruch können wir Muslime allein kaum gerecht werden. Allerdings können wir mit unserem Handeln ein Zeichen setzen und eine Vorreiterrolle übernehmen. Was aber fast noch wichtiger ist: Wir können unserer Rolle als Muslime gerecht werden. In der Sura ar-Rum sagt Allah voraus, worin sich (fast) alle Wissenschaftler heutzutage einig sind: dass wir die Folgen unseres Tuns sehr bald spüren werden (und in Teilen bereits spüren).
„Sichtbar ist das Unheil an Land und auf dem Meer infolge der üblen Taten, die die Menschen begangen haben. Gott lässt sie auf Erden etwas von den Folgen ihrer Werke erleiden, auf dass sie reumütig davon ablassen.” (30/41)
Der Mensch trägt also die Verantwortung für sein Handeln und muss mit den Ressourcen auf der Erde sorgsam umgehen. Nichts ist selbstverständlich, nicht die tägliche Portion Fleisch, nicht das aus dem Hahn strömende Leitungswasser, nicht der billige Wochenendausflug, nicht das wöchentliche Kopftuch-Shopping. Was ist also zu tun?
Lasst uns darum bemühen, bessere Menschen, bessere Muslime zu werden. Lasst uns darum bemühen, den Umwelt- und Klimaschutz als essenziell islamisches Prinzip in den Mittelpunkt unseres Dīns zu stellen. Lasst uns darum bemühen, den Topf nur zweimal zu waschen, um nicht unnötig Wasser zu verschwenden, die nicht mehr so modische Hose trotzdem anzuziehen, vielleicht nur alle zwei Tage Fleisch zu essen. Lasst uns uns vergegenwärtigen, dass all diese Ressourcen von Allah kommen und keine Naturrechte sind, lasst uns Dankbarkeit zeigen und einen bescheidenen Umgang mit ihnen kultivieren. Wichtig ist dabei vor allem unsere Absicht.
Wie wir unschwer erkennen, sind Umwelt- und Klimaschutz feste Imperative unseres Glaubens, auf die wir in unseren Gesprächen, Texten, Predigten und Diskussionen verstärkt eingehen müssen. Auch wenn wir die Erde damit am Ende des Tages nicht retten werden, so können wir als Gemeinschaft oder als einzelner Muslim am Tage des Jüngsten Gerichts Allah – zumindest in diesem Punkt – aufrechten Hauptes begegnen.