Ein Gastbeitrag von Hamza Tüter
Jeder Muslim hat sicherlich diesen oder einen ähnlichen Moment schon einmal erlebt: Wir kennen einen sehr netten, freundlichen und hilfsbereiten Menschen, den wir für seinen positiven Charakter unheimlich bewundern. Der anschließende Gedanke in so einer Situation ist oft: „Schade, wäre er/sie doch bloß ein/e Muslim/in“. Warum kommt bei uns Muslimen oft dieser Gedanke? Wird dieser Mensch für seine guten Taten unbelohnt bleiben? Wäre dies denn von Seiten Gottes noch gerecht?
Zunächst müssen wir uns die Frage stellen: Wer sind wir denn, die über das Schicksal des nicht-muslimischen Freundes sowohl im Diesseits als auch im Jenseits urteilen? Wir selber haben noch nicht einmal die Garantie, gerettet oder erlöst zu werden, aber dennoch erlauben wir uns, wie provokativ es auch klingen mag, zu glauben, dass auf uns ein schönes Paradies wartet. Als gläubige Muslime glauben wir an die letzte Offenbarung Gottes, den Koran, und an den letzten Gesandten, unseren Propheten Muhammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm. Nichtsdestotrotz sind wir nicht berechtigt, über einen Mitmenschen zu urteilen, unbedeutend welchen oder ob er überhaupt einen Glauben hat.
Gehen wir mal von dem Fall aus, dass der liebe Herr nur den Islam zur Erlösung berechtigt und somit dann auch ein schlechter Muslim, der für seine Sünden gebüßt hat, schließlich das Paradies gewährt bekommt. Stellen wir uns jetzt einen gläubigen Christen vor, der darum kämpft, immer Gutes zu tun, Armen und Bedürftigen zu helfen und der Gesellschaft zu dienen. Dieser Christ betet um Gottes Erbarmen, spürt in jedem Schritt seine Beobachtung und Existenz und versucht, keine schlechten Taten zu begehen. Was macht jetzt Gott mit diesem Menschen, der ihn so verehrt? Dieser Gott, der mehr Mitleid mit seinen Dienern hat und ihnen gegenüber viel barmherziger ist als eine Mutter mit/zu ihrem Kind, kann ihn doch nicht bestrafen, weil er sich nicht zum Islam bekannt hat? Dieser barmherzige, gerechte Gott kann ihn doch nicht für immer in der Hölle schmoren lassen? Denn sonst wäre dies doch ungerecht, wenn der oben erwähnte Muslim mit seinen schlechten Taten schließlich in das Paradies kommt, weil er zufälliger Weise in einer muslimischen Familie geboren und aufgewachsen ist und nur diesen Glauben hatte.
Was ich damit andeuten will, ist, dass wir eigentlich nicht über das Schicksal eines anderen Menschen urteilen sollten, aber es dennoch zu oft tun. Aus diesen Gründen ist es die Aufgabe eines jeden Menschen, sich Sorgen um sein eigenes Schicksal zu machen, statt das des anderen. Kämpfe ich denn überhaupt darum, Gutes zu tun, Armen und Bedürftigen zu helfen und der Gesellschaft zu dienen? Bete ich denn dafür, um die Gunst Gottes zu erlangen? Ist es mir denn gelungen, schlechte Taten zu umgehen?
Abschließend ist aus dem Koran zu entnehmen, „…dass nämlich keine lasttragende Seele die Last einer anderen auf sich nehmen wird und dass es für den Menschen nichts anderes geben wird als das, worum er sich selbst bemüht.“ (53:38 und 53:39)