Ständig sind wir konfrontiert mit medialen und politischen Debatten über uns Muslime. Gesellschaftliche Debatten – so anstrengend sie oft auch sein mögen – sind trotzdem wichtig. Wir als deutsche Muslime, denen die Zukunft dieser unseren Gesellschaft am Herzen liegt, müssen auf allen Ebenen auch unserer Verantwortung gerecht werden, in dem auch wir als Muslime unseren Beitrag für die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen leisten.
Das ist nicht immer einfach, weil man mit den unterschiedlichsten Sichtweisen und Meinungen konfrontiert ist. Dass dies nicht so einfach ist und manche Muslime auch belastet, merkt man daran, dass manche Muslime frustriert sind und das Gefühl haben, dass man nicht weiterkommt. Das ist menschlich nachvollziehbar, aber ich möchte hier den Fokus auf eine andere Facette lenken. Denn ganz schnell entwickelt sich daraus ein Geist des Ressentiments, wo man immer häufiger die eigene Legitimation aus der Ablehnung anderer zieht. Die gute Tat und die Erlangung Allahs Zufriedenheit wird ersetzt durch die Selbsteinordnung in der Gruppe der Unterdrückten.
Trotz der immer fortlaufenden Islamdebatte, die ganz oft auch skurrile Formen annehmen kann, müssen wir uns als hier lebende Muslime auch immer wieder die Frage stellen, inwiefern wir noch in der Lage sind – losgelöst von der medialen und politischen Großwetterlage – unsere Prioritäten nicht aus den Augen zu verlieren. Frustration führt früher oder später dazu, dass man sich von der Negativität, die vielleicht um einen herum existiert, beeinflussen lässt, bis man dann anfängt selber negativ zu werden. In dem man permanent auf Entwicklungen, Aussagen und Entscheidungen immer nur reagiert, ist man in der Rolle des Passiven. Und ganz schnell übernimmt man die Merkmale des Gegenübers, was man eigentlich anfangs kritisierte, ohne dass man es bemerkt hat.
Wir diskutieren viel über ‚den‘ Islam, unsere Glaubenspraxis, verteidigen unsere Religionsfreiheit. Wir sind so durchdrungen von diesen theoretischen Diskursen und Meinungsstreits, kämpfen so sehr um die Deutungshoheit, was alles sicher seine Berechtigung hat, aber merken manchmal nicht, wie sehr uns diese ganzen Diskurse dominieren, so dass wir den Blick für das Wesentliche aus den Augen zu verlieren scheinen. Denn direkt vor unseren Augen sind wir mit unterschiedlichen Phänomenen konfrontiert, von Altersarmut, Obdachlosigkeit und insgesamt einer großen Ignoranz gegenüber Menschen, die unsere Hilfe brauchen. Inwiefern werden wir unserer Verantwortung vor Allah gerecht, wenn wir per Banküberweisung bedürftigen Menschen in entlegenen Regionen der Welt helfen, aber blind sind, wenn direkt vor unserer Haustür bedürftige Menschen ums Überleben kämpfen?
Daran musste ich denken, als ich auf den Satz von Erich Kästner wieder einmal gestoßen bin, wo es heißt: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Es ist ein banaler Satz, aber es bringt das Wesentliche in einer sehr einfachen Sprache zum Ausdruck. Diskurse hin oder her, als Mensch und als Muslim geht es im Ergebnis darum, Gutes zu tun. Und das tut man in erster Linie in seinem direkten Umfeld. Da ist es manchmal auch angebracht eine aktuelle Debatte mal links liegen zu lassen, um einfach etwas Gutes zu tun. Wer auf der Suche nach etwas negativem ist, wird immer etwas finden, aber am Ende auch in einer Verbitterung enden, ohne, ja ohne auch eine Kleinigkeiten an Positivem getan zu haben.
Wenn es darum geht, auf Dinge hinzuweisen, die nicht gut laufen, wird man immer etwas finden. Aber den Blick auf das Positive zu richten, und somit bei anderen Muslimen etwas Positives zu stiften, dass ist einer der wichtigen Herausforderungen von uns Muslimen heute. Schon unser Prophet Muhammad (sav) sagte: „Seid nicht wie gewöhnliche Menschen, die sagen: ‚Wenn jeder Gutes tut, dann werden wir das auch tun, wenn jeder ungerecht handelt, dann handeln wir auch ungerecht.‘ Handelt anders: Bereitet euch darauf vor, dass wenn die Menschen Gutes tun, ihr auch beim Guten dabei seid und wenn sie Schlechtes tun, ihr nicht dabei mitmacht.“ [Tirmidhi, Birr, 63] (eg)