Die Jugend stellt eine besondere Phase unseres Lebens dar. Zwischen Kindheit und Erwachsenensein erlebt der junge Mensch große körperliche und seelische Veränderungen, was sowohl von den Eltern als auch von den Jugendlichen meistens als schwierig empfunden wird. Junge Menschen nabeln sich von den Eltern ab und begeben sich auf Identitätssuche. Die Erfahrungen, die sie dabei machen, decken sich meistens nicht mit den Vorstellungen der Eltern, was die Eltern-Kind Beziehung auf eine harte Bewährungsprobe stellt. Viele Eltern sind in dieser Zeit verzweifelt, weil sie den Zugang zu ihren Kindern verlieren. Die Kommunikation mit ihnen wird immer schwieriger, weil sie sich einer anderen Sprache bedienen. Nicht nur die Sprache verändert sich, auch der Kleidungsstil oder das Auftreten und all die anerzogenen „guten“ Verhaltensregeln scheinen verschwunden zu sein.
Muslimische Eltern befürchten in dieser Zeit, die voller Erfahrungsdrang steckt, „sündiges“ Verhalten wie z.B. Alkohol- oder Drogenkonsum oder unehelichen Geschlechtsverkehr. Aus Angst erteilen sie Verbote und versuchen die Jugendlichen zu kontrollieren, welche sich wiederum in ihrer Freiheit und Persönlichkeitsentwicklung sehr eingeschränkt fühlen. Aber genau dieses Verhalten und die Ablehnung seitens der Eltern ist äußerst kontraproduktiv, vergrößert die Diskrepanz zwischen den Eltern und ihren Kindern, und führt häufig dazu, dass die Kinder in Peer Groups verschwinden, weil sie sich nur noch von Gleichaltrigen verstanden fühlen. Dort machen die Jugendlichen oft ihre erste Erfahrung mit Alkohol, Drogen oder Tabak aus Trotz zum Elternhaus oder aber auch aus Gruppenzwang, was der Beginn eines süchtigen Verhaltens sein kann. Dabei geht es den meisten Jugendlichen nicht um den Genuss, sondern um das Gefühl frei zu sein und verstanden zu werden.
Wer sich für sein Kind eine körperlich und seelisch möglichst unversehrte Jugend wünscht, sollte schon in der frühkindlichen Phase eine starke Bindung und Kommunikation zu seinem Kind aufbauen. Nichts spüren die Kinder mehr als Vernachlässigung und Ablehnung. Unsere Erziehungsmethode sollte nicht autoritär, sondern emphatisch sein, damit unsere Kinder nicht in Orte und Gruppen flüchten, wo wir sie nicht mehr beschützen können. Die Erfahrungen, die unsere Kinder in der Jugend machen, sollten wir nicht als „Fehler“ oder „Ausschweifungen“ sehen, sondern als Teil ihrer Identitätsfindung betrachten und sie in diesem für sie nicht immer einfachen Lebensabschnitt mit unserer Lebenserfahrung unterstützen. Der Gefährte und Schwiegersohn des Propheten ‘Ali ibn Abi Talib rät uns, unsere Kinder nicht nach unseren Traditionen zu erziehen, sondern gemäß ihrer eigenen Zeit. Auch die Sunna des Propheten zeigt uns einen emphatischen und verständnisvollen Erziehungsstil. Der Prophet war seinen Gesprächspartnern egal welchen Alters oder Geschlechts ein guter Zuhörer und pflegte in der Sprache seines Gegenübers zu sprechen. Für Kinder und junge Menschen hatte er großes Verständnis und zeigte sich geduldig, wenn das Verhalten derer nicht den Normen und Erwartungen der Erwachsenen entsprach. Er kommunizierte auf eine sehr sanfte Art und Weise, machte Scherze mit ihnen und gewann somit ihre Nähe.
An alle „Ehrenmütter“ und „Ehrenväter“ da draußen: Vielleicht fällt es uns nicht immer leicht, unsere Teenies zu verstehen, ihre Musik zu lieben oder uns für Videospiele zu begeistern, aber wir sollten nicht vergessen, dass wir auch einmal jung waren und ein wenig rebelliert haben. Seid euren Kindern ein gutes Vorbild und vertraut ihnen. Küsst sie auf ihren Augen und schließt sie in eure Herzen, denn das ist genau das, was sie in dieser Phase ihres Lebens besonders brauchen. (sbk)