Nächstes Jahr wird es 70 Jahre her sein, seitdem in Deutschland die Verfassung, das Grundgesetz, mit den Worten “Die Würde des Menschen ist unantastbar” entworfen worden ist. Nur vier Jahre davor wurde Deutschland von Unmenschlichkeit und Barbarei regiert. Würde, Menschlichkeit, alles konnte angetastet,verletzt, missachtet werden. Menschen sollten jeweils unterschiedlich Wert sein, je nach religiösem oder ethnischen Hintergrund wurde über ihre Zukunft, über Leben und Tod entschieden. Die Nationalsozialisten waren neben anderem auch durch und durch Rassisten. Unterschiede zwischen Menschen wurden überhöht, wo es sie eigentlich nicht gab. Sie wurden künstlich geschaffen.
Doch mit dem Ende der Nationalsozialisten und der Einführung des Grundgesetzes verschwand der Rassismus nicht aus diesen, unseren Gefilden. Immer wieder bricht er durch, zuletzt ganz massiv in Chemnitz. Er zeigt, dass es noch genug Menschen in Deutschland gibt, die nicht bereit sind, Unterschiede zu akzeptieren oder gar zu respektieren.
Im Arabien zur Zeit des Propheten gab es bereits eine sehr diverse Zusammensetzung der Bevölkerung. Trotz der, verglichen mit unseren heutigen Möglichkeiten, viel primitiveren Reisemöglichkeiten gab es in den Städten Menschen unterschiedlicher Herkünfte. Auch in der ersten muslimischen Gemeinschaft gehörten die Anhänger des Propheten unterschiedlichen Stämmen, ja sogar unterschiedlichen Ethnien an. Der Prophet Muhammed (as) greift diese Vielfalt in seiner Abschiedspredigt während seiner einzigen Hadsch (Pilgerfahrt) auf:
“O ihr Menschen! Ihr habt nur einen einzigen Herrn, nur einen einzigen Vater. Gemäß dem Islam sind alle Menschen gleich. Ihr seid alle Kinder Adams und Adam wurde aus Lehm erschaffen. Vor Allah sind die Wertvollsten unter euch diejenigen, die bei ihm Zuflucht nehmen, sich eng an seine Befehle halten, sich von Sünden reinigen und sich vor seinem Zorn hüten. Ein Araber ist nicht mehr wert als ein Nichtaraber, noch ist ein Nichtaraber mehr wert als ein Araber; weder ist ein Schwarzer mehr wert als ein Rothäutiger, noch ein Rothäutiger mehr als ein Schwarzer; das einzige Maß der Überlegenheit ist Takwa (Gottesbewusstsein, Frömmigkeit).”
Der Prophet erinnert bei allen Unterschieden an unsere Gemeinsamkeiten. Wir können so unterschiedlich sein, wie wir wollen, trotzdem haben wir denselben Schöpfer. Alle stammen von einem gemeinsamen Vorfahren ab. Sowohl vor Allah als auch untereinander sind wir als Menschen gleich. Allah urteilt über uns nicht aufgrund unserer Herkunft. Es sind unsere Haltungen, nach denen er uns bemisst. Und niemand ist mehr oder weniger wert als der Andere, egal ob Araber oder nicht:
“Ein Araber ist nicht mehr wert als ein Nichtaraber, noch ist ein Nichtaraber mehr wert als ein Araber; weder ist ein Schwarzer mehr wert als ein Rothäutiger, noch ein Rothäutiger mehr als ein Schwarzer.”
Der Prophet stellt klar, worum es Allah beim Menschen geht. Er soll seine Haltung und seine Handlung überdenken, diese am Willen Allahs ausrichten, in Gottesbewusstsein und in Frömmigkeit leben. Diese Losung sollte uns Anleitung gerade in diesen kritischen Zeiten sein. Die Abschiedspredigt ist ein ganz besonderes Erbe. Sie sind Worte der Demut im Zeitpunkt des Sieges, sie sind Worte der Warnung vor dem eigenen Übermut in Zeiten der Euphorie. Dieses Erbe gilt es in unserem Leben umzusetzen und an unser Umfeld weiterzugeben. Denn es reicht nicht, die Botschaft nur zu kennen, nur zu Wissen, dass der Prophet sich offen gegen jede Form des Rassismus ausgesprochen hat. Dieser Haltung müssen auch Taten folgen. Taten, bei denen das Verbindende ausgelebt, Unterschiede überbrückt werden.
“Allah achtet nicht auf euer Erscheinungsbild oder auf euren Reichtum. Er schaut auf eure Herzen und auf eure Taten.” (Hadis – Muslim, Birr 33)
(ek)