„Spieglein, Spieglein an der Wand…“
Wir kennen alle das Märchen, in dem die böse Königin um jeden Preis die Schönste im Land sein möchte. Sie fragt täglich ihren Spiegel und erhofft sich die Bestätigung, die Allerschönste zu sein. Erfasst von ihrem Narzissmus ist sie bereit, alles dafür zu tun, um die Konkurrenz auszumerzen.
Ein sehr schönes Beispiel aus einem Märchen, das unsere heutige Gesellschaft widerspiegelt. Frauen und Männer investieren viel Geld und Zeit für ihre äußerliche Erscheinung. Um einem vorgegebenen Schönheitsideal zu entsprechen, sind sie bereit, riskante und gesundheitsgefährdende Operationen in Kauf zu nehmen. Bei Schönheitswettbewerben eifern sie mit Konkurrenten um den ersten Preis, um von einer strengen Jury als die oder der Schönste im Land oder Universum gekrönt zu werden.
Die Schönheit des Körpers wird an definierten Parametern gemessen. Jede Abweichung davon, distanziert den Bewerber vom Traum der oder die Schönste zu sein. Vor allem junge Menschen verkraften diese Abweichungen von der Schönheitsnorm oft nicht und reagieren mit Krankheiten wie Minderwertigkeitskomplexen, Narzissmus, Magersucht oder Bulimie. Sie befürchten, auf Ablehnung im Alltag zu stoßen, z.B. wenn es um die Partnerfindung oder manchmal auch um einen Arbeitsplatz geht. Gefüttert wird dieser Schönheitswahn von der Werbeindustrie, die wiederum der Modeindustrie dient und am Ende geht es nur um den Kommerz.
Es ist interessant zu beobachten, dass Länder mit muslimischen Bevölkerungsmehrheiten die ersten Plätze belegen, wenn es um die Zahl der durchgeführten Schönheitsoperationen geht. Dabei möchte man fragen, wie ernst denn eigentlich diese göttliche Offenbarung genommen wird: „Wir erschufen den Menschen in vollendeter Gestalt“ (95:4).
Dabei richtet sich die Kritik nicht an die Schönheitsoperationen selbst oder der Aufmerksamkeit, die man seiner äußeren Erscheinung widmet. Es geht vielmehr darum, sich nicht ein Schönheitsideal auferlegen zu lassen, das von einer Gruppe von Menschen mit kommerziellen oder ideologischen Zwecken definiert wurde. Der Wunsch, mit seinem Spiegelbild im Reinen zu sein, ist verständlich. Selbst – Wert – Gefühl kann aber nur mit einem Selbstbewusstsein erreicht werden, das die eigene Schönheit individuell und eigenmächtig definiert.
Schönheit liegt dann im Auge des Betrachters, wenn sie Abweichungen von der suggerierten Norm als etwas Besonderes erkennt, so wie viele Dichter und Künstler aus dem Morgen- und Abendland in ihren Werken davon schwärmen. Ein Spiegelbild erstrahlt erst dann, wenn innere Schönheit die Äußere durchscheint. Innere Schönheit ist die Reinheit unserer Herzen, der Umgang mit unseren Mitmenschen und die Dankbarkeit, die wir für unser Dasein spüren. Der Prophet weist uns in einem Hadith darauf hin, worauf es wirklich ankommt: „Allah schaut nicht auf eure äußere Erscheinung oder auf euer Vermögen, er schaut auf eure Herzen und Taten.“
Möge Allah uns wahre Schönheit erfahren und vorleben und somit auch die Resilienz junger Menschen stärken lassen, damit sie nicht Opfer eines vergänglichen Schönheitswahns werden. (sbk)