Die Umweltkrise ist auch eine spirituelle Krise

In der islamischen Welt ist das Bewusstsein für Umweltthemen nicht sehr ausgeprägt oder besser gesagt gar nicht vorhanden. Ob man nun in Kairo, Istanbul oder Islamabad ist, das Thema Umweltschutz ist oft unbekannt, obwohl die daraus resultierenden Probleme immer gravierender werden. Dies umfasst nicht nur die mangelhafte Umweltpolitik vieler muslimischer Staaten, sondern auch den Alltag der Menschen.

Wenn wir uns aber die islamischen Quellen anschauen und uns mit ihnen ernsthaft auseinandersetzen, dann können wir ohne weiteres daraus Handlungsanweisungen für ökologische Nachhaltigkeit ableiten.

Im islamischen Verständnis sind wir Menschen als Khalifa die Sachwalter der Schöpfung Allahs und stehen damit in der Pflicht, sie zu bewahren. Bestimmte koranische Begriffe prägen dabei das Umweltverständnis des Islam. Zu diesen Begriffen gehört etwa die fitra – die Schöpfung – als ursprüngliche natürliche Ordnung; oder tawhid – die Einheit der Schöpfung, wonach alle Dinge der Welt miteinander in Beziehung stehen und, weil sie alle gleichermaßen Zeichen Gottes sind, alle gleich bedeutsam, wertvoll und bewahrenswert sind; und mizan, die Balance, also der Zustand einer wohl geregelten Schöpfung, den es zu erhalten bzw. wiederherzustellen gilt.

Aus früheren Zeiten der islamischen Geschichte sind auch Regelungen bekannt, die man als Instrumente eines Natur- und Artenschutzes bezeichnen kann. Dazu zählen so genannte Harim- und Hima-Zonen. Darunter fallen etwa Schutzzonen um Quellen und Wasserläufe, die z.B. nicht besiedelt werden durften, um das Wasser nicht zu verunreinigen. Oder es gab Wiesen- oder Waldbereiche, die nur zu bestimmten Zeiten, z.B. nach der Pollenernte oder wenn Trockenzeiten drohten, und zu bestimmten Zwecken zur Nutzung freigegeben waren. Diese Maßnahmen gerieten im Zuge der Privatisierung des Bodens, der Intensivierung der Landwirtschaft und der zunehmenden Bebauung in Vergessenheit.

Im islamischen Verständnis stellen Natur, Mensch, Himmel und Erde ein ursprünglich wohl ausbalanciertes Ordnungsgebilde dar. Die Menschen in der Moderne neigen aber dazu, diese Ordnung zu verleugnen und haben an ihre Stelle eine anthropozentrische Ordnung gesetzt, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und ihm mangels Bindung an eine höhere Ordnung freie Bahn gibt für die Ausbeutung der Schöpfung.

Der Mensch ist ein grenzenlos egoistisches und gieriges, aber gleichzeitig nach Transzendenz strebendes Wesen, das ohne kosmologische Verankerung aber keine wirkliche Befriedigung findet und daher in stetig gesteigertem Konsum und in perfektionierter Technik ein Ventil sucht. Die Umweltkrise ist daher oft auch ein Zeichen für eine spirituelle Krise.

Auch uns Muslimen scheint oft der Zusammenhang zwischen Religion und Umweltschutz nicht bewusst zu sein. Für manche sind das zwei völlig verschiedene Zusammenhänge, die sie bislang nicht zusammengeführt haben. (eg)