In vielen Städten gehören Spielhallen und Wettbüros zum Alltagsbild. Vorzugsweise in Stadtvierteln mit einem hohen Anteil an Zuwanderern und sozial Schwachen sind diese Geschäfte ein stark besuchter Treffpunkt von Jung und Alt geworden. Oftmals haben Wettbüros die klassischen Teestuben mit ihren verlockenden Angeboten an Wetten, Pay-TV, Speisen und Getränken aus dem Straßenbild verdrängt. Nicht selten befindet sich das nächste Wettbüro gleich neben der Moschee.
Wie erlebnisreich ist denn der Gang in so ein Wettbüro, wo man mit seinen Kumpels zum einen seiner Lieblingsfußballmannschaft live im Fernsehen folgen kann und zum anderen vielleicht sogar noch Geld dazu gewinnen kann? Es gibt doch nichts schöneres als seinen Freunden mal sein vorzügliches Fußballwissen live unter Beweis zu stellen. Nicht wahr? Oder gibt es vielleicht nicht doch einen oder gar mehrere Haken?
Man muss kein Theologe sein, um zu wissen, dass unsere Religion Sportwetten und Automatenspiele als Formen des Glücksspiels ganz klar ablehnt: „Der Teufel will mit Glücksspielen und Alkohol nur Feindschaft und Hass zwischen euch säen. Und euch abhalten vom Gedenken Allahs und vom Gebet. Wollt ihr nun aufhören damit?” (Sure 5; Vers 91)
Natürlich wissen Muslime um die Haltung des Islam zum Glücksspiel und es liegt natürlich in ihrer persönlichen Verantwortung an sowas teilzunehmen oder einen Bogen darum zu machen. Auch ist eventuell gewonnenes Geld aus religiöser Sicht kein „sauber verdientes“ Geld, da es nicht aus persönlicher Arbeit entstanden ist, sondern anderen Spielenden wieder „genommen wurde“. Aber mit dem Thema Glücksspiel sind noch weitereichende Auswirkungen verbunden, die die ganze Gesellschaft prägen.
Suchtberatungsstellen gehen davon aus, dass rund 500.000 Menschen in Deutschland mittelstark bis stark von Spielsucht betroffen sind. Fast jeder zweite Betroffene hat eine Zuwanderungsgeschichte, wobei der größte Teil davon wiederum einen muslimischen Hintergrund haben dürfte. Das sind beunruhigende Zahlen, die uns als Gemeinschaft nicht kalt lassen dürfen.
Viele von uns kennen in ihrem Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis mindestens eine Person, die mal nicht eben „nur paar Euro“ in Sportwetten steckt, sondern möglicherweise den ganzen Arbeitslohn. Nicht selten leiden Familienangehörige mit darunter, weil zuhause das Geld für die Miete oder für Lebensmittel fehlt. Oft „pumpen“ von Spielsucht betroffene Menschen ihre Verwandten und Freunde um Geld an, nicht selten steigt die Verschuldung in die Höhe.
Jede/r weiß über solche Fälle Bescheid aber offen reden wollen darüber nur die wenigsten. Zu groß ist die Scham über dieses Problem zu sprechen, schließlich steht das Ansehen der Betroffenen auf dem Spiel. Und wo kommen wir denn hin, wenn wir in einem vertraulichen Gespräch mit dem spielsüchtigen Menschen und seinen Angehörigen vorschlagen, sich professionell helfen zu lassen?
Geht das nicht zu weit?
Nein.
Warum? Wir sind als Musliminnen und Muslime dazu angehalten unseren Mitmenschen zu helfen.
So besagt ein bekannter Hadith unseres Propheten Mohammed (saw): “Der nützlichste Mensch ist der, der den anderen Menschen von Nutzen ist.” (Buchari/Maghazi)
Wir gehen selbstverständlich zum Arzt wenn wir uns krank fühlen oder zum Anwalt, wenn wir rechtlichen Rat benötigen. Was spricht dagegen sich vertraulich professionelle Hilfe bei einer Suchterkrankung zu holen?
Viele Beratungsstellen in unserer Nähe haben bisher kaum Betroffene mit Zuwanderungsgeschichte unter den Hilfesuchenden. Sie würden sehr gerne gezieltere Angebote für diese Menschen schaffen, aber das wird nur schwer gelingen, wenn die meisten lieber zu diesem Thema schweigen.
Letztlich ist keinem damit geholfen, wenn wir weiterhin die Augen vor dem Problem verschließen. (ab)