Information, Nachrichten, Berichte, Meldungen, wir sind von Daten jeglicher Art umgeben. Und die Menge an Information wird immer mehr, mit ihr umzugehen immer schwieriger. Dabei sind es mittlerweile nicht einmal nur die sozialen Medien, die uns mit Informations- und Datenschnipseln überhäufen. Auch in den etablierten Medien wie Zeitung, Radio und Fernsehen werden die Inhalte kurzlebiger, der schnelle Wechsel immer präsenter.
Hier geht es aber nicht um eine Medienschelte. Hier geht es um die Frage: Wie gehen wir mit diesen Informationen um? Welche Information geben wir an unser Umfeld weiter, welche teilen wir, welche bestimmt unser Leben? Gibt es dabei Kriterien, an denen wir uns orientieren können? Medienwissenschaftlich kann man sicherlich vieles anführen, aber ein Kriterium, das wird uns von sehr prominenter Seite mit auf den Weg gegeben: die Skepsis. So heißt es in der Sura Hudschurat (49), Vers 6:
“O ihr, die ihr glaubt! Wenn ein Unzuverlässiger mit einer Nachricht zu euch kommt, so klärt die Sache auf, damit ihr niemand unabsichtlich verletzt und euer Verhalten hernach bereuen müsst.”
Die Geschichte hinter dieser Offenbarung ist so simpel und menschlich, wie unser aller Leben. Die Gruppe der Söhne der Mustalik vom Stamm der Huzaa war der muslimischen Gemeinschaft beigetreten, sie hatten geschlossen den Islam angenommen. Wie auch die anderen neu der islamischen Gemeinschaft beigetretenen Stämme, entrichteten sie ihre Zakat, gaben also ca. ein Vierzigstel ihres Vermögen an die Gemeinschaft ab. Der Prophet hatte dazu Walid bin Ukba entsandt. Als die Mustalik von dem Aufbruch des Abgesandten hörten, machten sie sich auch selbst auf den Weg, um ihn zu empfangen. Tragisch war nur, dass es zwischen dem Abgesandten Walid und den Mustalik noch vor der Zeit ihrer Glaubensannahme eine Feindschaft gab. Walid hörte vom Aufbruch der Mustalik und fürchtete um die eigene Sicherheit.
Er kehrte zum Propheten zurück und berichtete: “Sie haben mich fortgejagt und ihre Steuer nicht entrichtet, und sie sind alle vom Glauben abgefallen.” Während sich seine Gefährten schon auf eine Schlacht vorbereiten wollten, sagte der Prophet: “Nein, nicht solange wir den Hintergrund nicht erfahren haben”.
Zwischenzeitlich hatten die Mustalik die verfrühte Rückreise des Abgesandten bemerkt und bereits geahnt, die Ursache könnte in der alten Fehde liegen. Sie entsandten ihrerseits eine Gesandtschaft zum Propheten, die klar stellte: “Oh Gesandter Allahs, du hast uns einen Abgesandten geschickt, der von uns die Zakat annehmen sollte und wir haben uns darüber gefreut. Wir wollten ihn empfangen. Aber soweit wir erfahren haben, ist er mitten auf der Strecke umgekehrt. Wir haben befürchtet, dass sein alter Zorn auf uns der Grund für diese Rückkehr sein könnte. Bei Gott suchen wir Zuflucht davor, dass Gott und sein Gesandter uns erzürnen könnten. Wir schwören bei Gott, wir haben ihn nicht gesehen, er ist nicht zu uns gekommen. (…)”
Der Prophet stimmte ihnen zu und als Bestätigung der Lüge Walids wurde unter anderem der genannte Vers offenbart.
Es war die Skepsis des Propheten, seine kritische Haltung gegenüber dieser Nachricht aus dem Munde eines Anderen, die die Gemeinschaft davor bewahrte, sich selbst und anderen Unrecht zu tun. Und vor allen anderen Prinzipien sollte es diese Skepsis sein, mit der wir Informationen und Berichterstattung wahrnehmen – insbesondere dann, wenn sie uns in unseren Urteilen und Vorurteilen zu bestätigen scheinen. Skepsis gegen unangenehme Nachrichten, dass scheint ein natürlicher Reflex zu sein, das brauchen wir nicht zu lernen. Schwieriger ist es, wenn die Nachricht, die Information uns in unserer Meinung bestätigt, unsere Vorurteile nährt, ja vielleicht sogar verstärkt.
Eine skeptische, kritische Haltung, dieses Gebot aus Hudschurat 6 hat in Zeiten der Einfachheit von populistischer Stimmungsmache und der schleichenden Normalisierung von Hassreden nicht an Relevanz verloren – sie ist bedeutender als je zuvor. (ek)