Den eigenen Neid erkennen

“Da trieb ihn seine Seele, seinen Bruder zu töten.
Und er tötete ihn.
So wurde er zu einem der Verlierer.” (Maida, 30)

Dieser Vers, er ist so schwer, so traurig und tragisch. Ein kurzer Vers, der viel Leid in sich birgt. Er lässt uns in einen Abgrund blicken, in den wir eigentlich nie blicken wollen. Wie böse kann denn unsere Seele werden, dass sie uns gar zum Mord an einem der uns Nächsten treiben kann?

Der Vers stammt aus der Schilderung des Gleichnisses von Kain und Abel im Koran, oder wie sie in der islamischen Tradition genannt werden, Habil und Qabil. Das Gleichnis gehört zu den gemeinsamen Themen von Koran und Talmud. Und selbst die Sumerer haben in einem sehr alten Mythos um ihren Bauerngott Enkimdu und ihren Jagdgott Dumuzi ein ähnliches Thema der brüderlichen Auseinandersetzung vor Tausenden von Jahren aufgegriffen. Das Gleichnis, die Mahnung die in ihm steckt, scheint so alt und so tiefgründig wie die Menschheit selbst zu sein.

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Der Löwe, der sich selbst angriff

Es vergeht wohl kaum ein Tag, ohne dass wir uns über einen anderen Menschen aufregen. Sei es zu Hause, in der Familie, im Straßenverkehr, an der Kasse im Supermarkt oder auch in den sozialen Medien, immer wieder gibt es Situationen, in denen wir Anstoß nehmen am Verhalten unserer Mitmenschen. Wir entrüsten uns dann über die Ignoranz dieser Leute, über ihre Rücksichtslosigkeit, über ihre Eitelkeit und ihre mangelnde Einsicht. Zuweilen prangern wir sie sogar öffentlich an, indem wir unseresgleichen auf diese Fehlverhalten aufmerksam machen und Bestätigung für unsere Erregtheit suchen.

Seien wir aber einmal ehrlich! Schlecht über andere zu denken ist Ausdruck eigenen Hochmuts. Ob wir es zugeben mögen oder nicht, wenn wir uns über jemanden echauffieren, dann tun wir dies doch stets in dem Glauben, ihm/ihr überlegen zu sein. Wir erheben uns über diese Person und maßen uns an, sie zu be- und zu verurteilen. Insgeheim gefallen wir uns in der Rolle des vermeintlichen Kritikers, der die Dinge beim Namen nennt, ohne uns allerdings auch nur im Ansatz unserer eigenen Vermessenheit bewusst zu werden. Unser Moralismus ist also in Wirklichkeit nur eine versteckte Selbstgefälligkeit, eine Form der Selbstüberhebung, die wiederum der Koran aufs Schärfste verurteilt: „Er (Allah) liebt nicht die Hochmütigen.“ (Koran 16:23)

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Selfie-Islam

Die Hadsch-Saison ist fast vorüber. Viele unserer Glaubensgeschwister haben auch dieses Jahr wieder Mühe und Strapazen auf sich genommen, um die heiligen Stätten des Islams zu besuchen. Diejenigen von uns hingegen, die zu Hause geblieben sind, haben mit freudiger Anteilnahme und tiefer Wertschätzung die Pilger auf ihre Reise verabschiedet, und womöglich hat der eine oder andere von uns ihnen sogar den Wunsch mitgegeben, dass sie uns in ihre dortigen Gebete einschließen mögen.

Nach der Verabschiedung der angehenden Hadschis kommt gewöhnlich das große, neugierige Warten auf ihre Rückkehr. Zumindest war dies in der Vergangenheit der Fall. Denn seit einigen Jahren nun haben wir dank der sogenannten sozialen Medien die Möglichkeit, ihnen auf Schritt und Tritt zu folgen. Von der Ankunft in Saudi-Arabien über das Ausharren in Muzdalifa und den Gang zwischen Safa und Marwa bis hin zu dem ersten Erblicken der Kaaba, sämtliche Stationen der Reise werden heute anhand von Selfies dokumentiert und fleißig auf Instagram, Facebook und Twitter geteilt.

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Allahu akbar!

„Er ist Allah, der Schöpfer, der Erschaffer, der Gestalter. Sein sind die schönsten Namen. Ihn preist alles, was in den Himmeln und auf der Erde ist. Und Er ist der Allmächtige und Allweise.“ In diesem 24. Vers der Sure 59 werden einige der schönen Namen Gottes hervorgehoben. Im arabischen Original heißt es „Huvallahul halikul bariul musavviru lehul esmaul husna“. Zu diesen zitierten „esmaul husna“, zu den schönen Namen, gehören „Haalik“, der Schöpfer, „Bari“, der aus dem Nichts Erschaffende, „Musavvir“, der Bildende, der Gestaltende.

„Musavvir“ ist ein Name Gottes, in welchem sich das menschliche Bedürfnis widerspiegelt, seinem Innersten, seiner Suche nach Gott, seiner Sehnsucht nach einem besseren Verständnis seiner menschlichen Beziehung zu Gott, Ausdruck verleihen, Gestalt geben zu wollen.

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Wo Gott ist, ist Hoffnung

  1. „Ein Zeichen davon, dass man sich noch auf seine eigenen Taten verlässt, ist, dass sich bei einem Fehltritt die Hoffnung vermindert.“

Dies ist der erste Aphorismus in der Sammlung „al-Hikam“ des spirituellen Meisters Ibn Ata‘illah al-Iskandari.

Nicht umsonst ist dieser „geistreiche Sinnspruch“, wie der Duden den „Aphorismus“-Begriff vorschlägt, die Einführung zum Werk al-Iskandaris; und nicht umsonst stammt er von einem Geistlichen, einem Sufi, also einem Gottsuchenden, einem, der ungetrübt und deutlich erkennt. Weiterlesen “Wo Gott ist, ist Hoffnung”